Tannöd: Kleinmut der Neider

Kann ein Roman ein Sachbuch plagiieren? Peter Leuschner fühlt sich betrogen und klagt gegen Andrea M. Schenkels Bestseller "Tannöd". Zu Unrecht.

Autorin Schenkel will sich die dichterische Freiheit nicht nehmen lassen Bild: dpa

Der deutsche Buchmarkt ist seit langem in Bewegung. Nicht nur wegen Elke Heidenreich, doch auch wegen ihr. Denn Elke Heidenreich bespricht in ihrer Sendung "Lesen!" nicht nur die Spitzentitel großer Verlage, sondern augenscheinlich, was sie will.

Kleinverlage wie Stroemfeld, Aviva oder Transit profitieren davon und werden mit ihren Büchern nun auch von einem großen Publikum wahrgenommen. Vor allem aber hat die Edition Nautilus aus Hamburg profitiert, deren Buch "Tannöd" von Andrea M. Schenkel seit der Besprechung in der Januar-Sendung kontinuierlich einen Spitzenplatz in der Bestsellerliste belegt mit inzwischen rund 300.000 verkauften Exemplaren.

Das Buch allerdings verdankt seinen Aufstieg nicht nur der Fernsehshow, es wurde zuvor von der Kritik gefeiert und mit dem Deutschen Krimipreis und dem Glauser-Debüt-Preis gekürt. Es könnte also ein schönes Krimidebütantenmärchen sein, wäre da nicht der Journalist Peter Leuschner, der sich in zwei vor vielen Jahren erschienenen Sachbüchern mit dem spektakulären, nie gelösten Mordfall "Hinterkaifeck" aus dem Jahr 1922 beschäftigt hat, der wiederum Andrea M. Schenkel zu ihrem "Tannöd"-Plot inspirierte. Sie nutzte auch Leuschners Bücher. Und sie hat sich artig bei Leuschner bedankt und ihm ihr Buch nach Erscheinen überreicht.

Doch seit das Buch in den Bestsellerlisten ist, fühlt sich Leuschner betrogen. Zuvor, behauptet er, habe er keine Zeit gefunden, das Buch zu lesen, nun aber sieht er sich bestohlen. In immer neuen Presseerklärungen wirft Leuschner der Debütantin Schenkel vor, sie habe ihn plagiiert. Und droht mit Klageeinreichung. Verlag und Autorin weisen die Vorwürfe zurück.

Am Freitag nun meldete der Donaukurier vorab, dass Leuschner nun wirklich beim Landgericht München Klage gegen Andrea Maria Schenkel eingereicht habe. Die Medien übernahmen die Nachricht unhinterfragt: "Peter Leuschner fordert wegen Urheberrechtsverletzung einen sofortigen Stopp des Romanvertriebs und Schadenersatz. Außerdem verlangt er, dass alle noch verfügbaren Exemplare des Buches vernichtet werden. Der geschätzte Streitwert beträgt laut Bericht 500.000 Euro", schrieb etwa Spiegel online.

Die Frage allerdings ist: Kann man mit einem Roman überhaupt ein Sachbuch plagiieren? Ist das, was sich seinerzeit in "Hinterkaifeck" zugetragen hat, das geistige Eigentum Leuschners? Denn es handelt sich bei seinen Büchern ja um Sachbücher, die die Fakten darstellen. Leuschner nun sagt, er habe das eine oder andere Detail an dem Fall erfunden. Das macht ihn als Sachbuchautor verdächtig, nicht aber die beklagte Autorin.

Gestern nun hat die Edition Nautilus mitgeteilt, dass das Landgericht München nicht bestätigen könne, dass eine Klage gegen den Verlag und die Autorin vorliege. Es ist ein lächerliches Theater, das Verlag und Autorin da leider mitzuspielen gezwungen sind. Es hilft immerhin beim Verkauf: Von "Kalteis", dem neuen Krimi von Andrea M. Schenkel, der gerade erst erschienen ist, wurden schon jetzt 80.000 Exemplare verkauft.

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