Kolumne Theorie & Technik: Etwas kaufen und die Welt retten

Ich schwebte förmlich, und das emissionsfrei: Wie ich doch tatsächlich einmal cool an der Spitze des Fortschritts kurvte

Also, diese Kolumne heißt ja "Theorie und Technik", nur ist die technische Seite der Chose etwas unterbelichtet, da an mir kein Ingenieur verloren gegangen ist (an meiner Koautorin auch nicht). Dabei bin ich kein völlig unpraktischer Mensch. Ich kann meinen Computer einschalten, an meinem Weblog herumfummeln, mit Windows Moviemaker sogar kleine Filmchen schneiden. Auf Youtube hochladen kann ich sie auch. Und wenn ich die Kettensäge anwerfe, spritzt auch nicht immer gleich Blut. Aber in der Regel nehme ich doch, wenn ich mich mit der Welt auseinandersetzen will, ein Buch zur Hand oder setze mich an meinen Schreibtisch. Ich bin also eindeutig theorieversaut. Auch an Gütern finde ich eindeutig am faszinierendsten, was sie in unserem Kopf anstellen. Und an den Waren die Diskurse, in die sie sich einfügen.

Eine knifflige Frage ist, was einen Gegenstand zum Kultgegenstand macht. Oder wie Haltungen zu einem Lifestyle werden und wie ein Antilifestyle langsam zu einem Mainstream-Lifestyle wird - oder zu einem Lifestyle gehobener Konsumsegmente. Die Wandlung der Ökodiskurse in den vergangenen Jahren ist in dieser Hinsicht ein bemerkenswertes Phänomen. Früher war das Ökologische ja das Uncoole schlechthin. Biogemüse, Müsli, Jutesäcke, Birkenstocksandalen, Fair-Trade-Wäsche - man konnte sich kaum etwas vorstellen, was weniger hip ist. Ich etwa lege auf einem gewissen Coolnesskoifizienten der Gadgets, mit denen ich mich umgebe, schon wert. Schließlich ist es im Lifestylekapitalismus doch so, dass wir sind, was wir kaufen. Und wer sich Kartoffelsäcke kauft, ist dann auch ein Kartoffelsack.

Neuerdings aber ist der bewusste Konsum, bei dem man sich "Authentizität" und "Natürlichkeit" zusammenkauft, im Stilranking scharf nach oben gesaust. Das hat auch die ökologischen Diskurse verändert. Früher protestierte man gegen Umweltverschmutzung, forderte staatliche Umweltnormen ein - heute geht man bewusst einkaufen. Früher wurde zum "Boykott" aufgerufen - heute zum "Buycott". Man bestraft einen Hersteller, indem man beim anderen einkauft. Früher waren die Ökologiebewussten auch implizite Kapitalismuskritiker - chronisch fortschrittsskeptisch prangerten sie die Wachstumsphilosophie an. Heute sind sie ein dynamisches Konsumsegment des Lifestylekapitalismus. Ja, sogar Heroismus wird in die unheroische Krämerwelt eingeführt: Ich kauf mir ein schönes Ding und rette die Welt! Einkaufen wird dann zur moralischen Tat. Bürgergeist zum Konsumbürgergeist.

Heute wird das theoretisiert und bewusst gesteuert. Früher war das eher eine instinktive Tat. Wir erinnern uns: Als vor zehn Jahren der Shell-Konzern die "Brent Spar"-Ölplattform versenkte, wurde Shell boykottiert - das hieß damals freilich schon, dass man eben bei einer anderen Tankstelle einbog.

Diese Buycott-Strategien haben natürlich auch ihre fragwürdigen Seiten. Mit der Liaison, die die Lifestylemärkte und das Ökobewusstsein eingehen, öffnet sich ein Raum für neue Distinktionsstrategien. Wer wirklich cool sein will, trägt Wäsche von American Apparel. "Ganz schön in Mode, die Natur", schlagzeilte unlängst die Süddeutsche.

Weil ich hin und wieder doch auch das Bedürfnis verspüre, mich den praktischen Seiten der Phänomene zu widmen, ließ ich unlängst eine befreundete Redaktion bei diversen Autofirmen anrufen - und binnen weniger Stunden standen die heißesten Schlitten vor meiner Haustür, die angesagten ökologisch korrekten Autos. Ich muss sagen, es war ein Erlebnis. Nun, der Honda Civic Hybrid, er fährt sich schön, macht aber ein bisschen auf Normaloauto, Typ Mittelklassewagen. Aber der Toyota Prius Hybrid, das coolste Auto unserer Tage, das war ein Erlebnis. Dasselbe Auto, das Leonardo DiCaprio, Cameron Diaz und Julia Roberts fahren! Und ich sitz drinnen! Da bekam auch das Industriegebiet in der Wiener Südstadt einen Hauch von Hollywood. Der Prius spuckt nur 104 g CO2 pro km aus, aber das wissen taz-Leser ja schon. Interessanter ist: Ich hatte ein völlig neues Körper-, ach was, ein neues Ich-Gefühl. Ich spürte, dass ich an der Spitze des Fortschritts kurvte. Alle Augen richten sich nun auf mich, war ich mir sicher. Ich nahm gleich eine entsprechende Haltung an: diese gewisse Bobo-Lässigkeit, cool und draufgängerisch zugleich.

Ich schwebte förmlich, und das emissionsfrei. Schade dass ich das Ding wieder zurückgeben musste, ich wäre der Held aller Girls geworden (besonders von denen, die American-Apparel-Unterwäsche tragen). Aber auch der Typ Männer, der die PS-Werte aller marktgängigen Autos im Schlaf aufsagen kann, guckte irgendwie entrückt, wenn ich später erzählte, ich habe "den Prius" gefahren.

Jetzt ist es fast eine richtige Technikkolumne geworden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.