24 stunden spreebogen, folge 14
: Von 13 bis 14 Uhr

Tatsächlich. Wie vor vier Wochen an dieser Stelle erwartet, steht nach meiner Rückkehr aus dem Sommerurlaub wieder der Sopran-Saxofonspieler an seiner angestammten Stelle an der Spree. Diesmal hat er eine knallrote Jacke an und erfreut die vorbeischlendernden Spaziergänger mit Variationen rund um das Grundmotiv des Klassikers „Take Five“. Im Spielen geht er immer ein, zwei Schritte nach vorn, in der Pause zwischen den melodischen Läufen tritt er wieder zurück. Davor hält ein Angler tapfer seinen Köder ins Wasser. Vielleicht mögen die Fische ja Jazz.

Es hat etwas Beruhigendes, wenn das Erwartete auch wirklich eintritt. Der Saxofonspieler erfüllt den Wunsch nach Verlässlichkeit. Aber den profanen Hunger um die Mittagszeit stillt er natürlich nicht. Das ist auch gar nicht so leicht im Berliner Regierungsviertel. Natürlich, es gibt den Hauptbahnhof mit seinen Fressmeilen und Fast-Food-Stationen, in denen man sich in 80 Minuten einmal durch die Küchen dieser Welt essen könnte. Asia-Food, Sushi, Pizza, belegte Brötchen, McDonald’s – alles da. Aber für eine gepflegte Mittagspause hält das Gelände am Spreebogen erstaunlich wenig Optionen bereit. Dem „Bundespressestrand“ – eine Art Erlebnisgastronomie mit Urlaubsambiente – sieht man auf den ersten Blick die Touristenfalle an, auch dem „Capitol Beach“, einer Caipi-Bestellmöglichkeit mit Liegestühlen direkt unterhalb des Kanzleramtes. Viele Menschen behelfen sich, indem sie eine dieser China-Pappschachteln mit an die Spree nehmen und dort auf einer Bank sitzend auslöffeln. Ich entscheide mich für einen Überbrückungssnack: Laugenbrezel und Bionade am frisch renovierten Haus der Kulturen der Welt.

Nebenan, im Kanzleramt, ist auch Essenszeit. Die Kantine liegt am äußersten Ende des Gebäudes direkt am Fluss. Auf ihrer Terrasse kann man Anzugträger und Kostümträgerinnen bei der Nahrungsaufnahme gut beobachten. Von Hollywood weiß man ja, wie sich Angestellte im Weißen Haus benehmen. Aber von deutschen Regierungsbeamten weiß man das nicht. Reden die auch in der Mittagspause nur über die Chinareise ihrer Chefin? Oder pflegt man die Kunst des privaten Small-Talks? Jedenfalls scheint es üblich zu sein, in Zweiergruppen zum Essen zu schreiten.DIRK KNIPPHALS

Wöchentlich geht der Autor eine Stunde lang durch das Regierungsviertel in der deutschen Hauptstadt – jede Woche eine Stunde später als in der Woche davor. – Von 14 bis 15 Uhr: am kommenden Samstag