letzte züge etc.
: Ade, Raucherabteil

Das letzte Mal, als ich im Zug geraucht hatte, war ich im Verbotsirrtum gewesen. Ich hatte 20 Minuten Aufenthalt auf dem Hamburger Hauptbahnhof. Weil ich gedacht hatte, das Rauchen im Zug wäre schon verboten, wollte ich schnell noch eine rauchen.

Ganz am Ende des Bahnsteigs, da, wo er nicht mehr überdacht war, war das gestattet. Hier saßen und standen schon andere. Neben dem Aschenbecher der Raucherecke wies ein Schild darauf hin, dass dieser Bahnhof absolut rauchfrei wäre und dass deshalb nur an den dafür vorgesehenen Stellen geraucht werden dürfe.

Ich stand da und rauchte. Nach der Zigarette kam der Zug. Ich stieg in den Wagen direkt hinter der Lok. Dieser Wagen war noch als Raucherwagen gekennzeichnet. Dass man die Kennzeichnung noch nicht entfernt hatte, kam mir wie eine kleine subversive Geste vor. Der Raucherwagen war kühl und nur spärlich besetzt. Nach zehn Minuten dampfte es über einzelnen Köpfen. Selbst eine Schaffnerin rauchte.

Ich war zunächst leicht irritiert, dann begeistert über das, was ich für einen souveränen Akt zivilen Ungehorsams hielt, der mich an eine Flugreise vor acht Jahren erinnerte.

Auf dem Weg von Bangkok nach Paris hatte damals in einer Air-France-Maschine irgendwann in der Nacht, als die meisten schon schliefen, für zwei Stunden eine Raucherecke im Gang neben der Bordküche aufgemacht. Die Raucher hatten in einer gesprächigen Schlange vor dem Eingang zur Raucherecke – einem blauen Vorhang – gestanden, denn es durften jeweils nur elf Leute auf einmal rauchen. Die Stimmung war großartig gewesen; ganz zwanglos war man miteinander ins Gespräch gekommen und hatte in lustigen Worten, meist auf Französisch, über den amerikanischen Nichtraucher-Imperialismus gelästert.

Die rauchenden Mitreisenden im Zug waren auch ermutigend. Gut gelaunt stopfte ich mir einen Krümel Hasch in meine Zigarette. Genug, um die Andeutung eines Haschrauschs genießen zu können; zu wenig, als dass es im Waggon auffällig geworden wäre.

Ich hatte vor zehn Jahren zuletzt in der Bahn gekifft. Damals hatte mich ein Kollege fast schon gedrängt, zwischen Leipzig und Hamburg einen mitzurauchen. Inzwischen bekämpft er alle Tabakraucher mit der gleichen Entschiedenheit, mit der er früher bei jeder Gelegenheit gekifft hatte. Egal: Kiffen und Bahnfahren passt jedenfalls supergut zusammen. Erst später erfuhr ich, dass das Rauchen in der Bahn erst am 1. September verboten sein würde. Ich hoffe, dass es niemanden enttäuscht, wenn ich sage, dass ich’s auch nicht besonders schlimm finde. Nur dass Jugendliche nicht mehr rauchen dürfen sollen, finde ich etwas empörend. DETLEF KUHLBRODT

Vom Autor erscheint demnächst: „Morgens leicht, später laut. Singles“. edition suhrkamp, 136 Seiten, 7,50 €