Stolpern durch diese Geschichte aus Nähe

Die Nacht ein feuchtes Handtuch, der Mond ein trauriger Volleyball: René Hamann arbeitet an der Verdichtung von Gefühlsbeschreibungen – der Roman „Schaum für immer“

Wahrscheinlich könnte man sich als Chefchecker und coole Kritikersau präsentieren, indem man vor allem auf die Dramaturgie dieses Romans abhebt. René Hamann (der auch für diese Zeitung schreibt) webt einen Text rund um einige Thirtysomethings vor deutscher Großstadtszenerie. Ein Finden und Sich-Verlieren. Ein Reigen in kurzen Szenen. Blicke in Cafés. Übers Leben Grübeln in der Badewanne. Küsse nach dem dritten Date. Dann die Zweifel, ob das mit diesem Typen, dieser Frau auch seine Richtigkeit hat.

Alles zusammen ergibt eine Szenerie aus Vornamen: Valerie, Franz, Nadja, Stina und andere (Wehmut nach einer Clique – wie früher, in der Schule, auf der Uni, als alle noch selbstverständlich miteinander zu tun hatten – durchzieht das Buch). Später kommen Nachnamen hinzu. Das Ganze ist wunderbar gemacht. Die Cliffhanger, die Übergänge, wie sich aus Snapshots eine Geschichte zusammensetzt. Außerdem ist das Buch vorne dran an den Codes der Trendbezirke; alle hören die passende Musik, tragen die passenden Klamotten im sich nicht immer passend anfühlenden Leben. „Schaum für immer“ kann man lesen als eine Soap-Opera in Worten für Menschen, die jemand kennen, der jemand aus der Zentralen Intelligenz-Agentur persönlich kennt.

Dabei hat René Hamann ein Gespür dafür, wie sich abgelatschteste Szenen durch ungewöhnliche Wortkombinationen aufbrechen lassen. Sampling als literarische Technik. Dieser Ralf Berner, 36, zum Beispiel, eine der beiden Figuren, die nach Irrungen und Wirrungen am Schluss heiraten werden. „Ralf Berner ist mobil nicht erreichbar, legt nur Platten im Vinylformat auf, sieht sich eher als Retro-minded Teenager denn als technologiefeindlicher Altsack.“ Ein Lebensgefühl in einem Satz. Dann gibt es auch schöne expressive Stadtbeschreibungen: „Mit dem Nachtbus nach Hause. Um ihn herum schlaffe Gestalten. Morgen früh geht der Alltag wieder los. Die Nacht ist ein feuchtes Handtuch, der Mond ein trauriger Volleyball.“ René Hamann arbeitet an der Verdichtung von Gefühlsbeschreibungen, was manchmal auch zu etwas anstrengenden Manierismen führt.

Aber: Das eigentlich Interessante ist noch etwas Anderes. Es gibt beim Lesen manchmal so ein Straucheln, wenn man durch die Konstruktion dieses Romans hindurchsieht. Es rührt daher, dass René Hamann immer wieder mit konkreten Details alltägliche Szenen wiedererkennbar einzufangen versteht. Mit großer Ernsthaftigkeit umkreist das Buch das Stolpern seiner Figuren durch ihre Gefühle. Alle kennen sich aus mit den Verlaufsformen der Emotionen, ihren Unsicherheiten und Fallen. Aber dieses Wissen nützt den Figuren gar nichts. Jede von ihnen hat auf andere Art Angst vor der großen Geschichte aus Nähe, in die sie sich andererseits wiederum hineinsehnen. Aus dieser Hilflosigkeit erhält das Spiel mit der Form einer Soap-Opera Würde und Notwendigkeit: Das Weitermachen (die nächste Episode) wird bei aller Augenblicksverzweiflung und allem Augenblicksglück von den Figuren immer schon mitgedacht. DIRK KNIPPHALS

René Hamann: „Schaum für immer“. Verlag Tisch 7, Köln 2007, 160 Seiten, 18,50 Euro