Buchpreis-Kommentar: Der produzierte Herbstbestseller

Die Nominierungen für den Deutschen Buchpreis stehen. Aus den 20 Werken der "Shortlist" wird am 8. Oktober der Gewinner gekürt. Und damit ein neuer Besteller produziert - das alte Spiel.

Ein schönes Gesellschaftsspiel, das mit dem Deutschen Buchpreis. Erst werden aus der Fülle des Angebots 20 Romane ausgewählt - die können die Buchhandlungen dann in der Ecke fürs ambitionierte Lesepublikum auf Sondertischen ausstellen. Dann werden aus der Liste wiederum sechs Romane ausgewählt. Das ist die Shortlist; britische und amerikanische Literaturpreise werden seit langem so vergeben. EineR der sechs erwählten SchriftstellerInnen kann sich zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse auf einen sechsstelligen Lottogewinn freuen. Es sollte bei dem Werbeaufwand schon zu denken geben, wenn der Preisträger nicht zum Bestseller wird. Bei Katharina Hackers "Habenichtsen" (2006) und Arno Geigers "Es geht uns gut" (2005) hat das aber schon mal prima geklappt.

Nun sehen also Julia Franck ("Die Mittagsfrau"), Thomas Glavinic ("Das bin doch ich"), Michael Köhlmeier ("Abendland"), Katja Lange-Müller ("Böse Schafe"), Martin Mosebach ("Der Mond und das Mädchen") sowie Thomas von Steinaecker ("Wallner beginnt zu fliegen") gespannt dem 8. Oktober entgegen. An diesem Datum wird einer von ihnen den Preis erhalten; gestern wurde die Shortlist bekannt gegeben.

Zum weiteren Spiel könnte nun gehören, dass man die Jury für diese Auswahl lobt oder tadelt, dass man Strukturanalyse betreibt (drei Hanser-Titel, kein Suhrkamp-Titel) oder dass man sich darüber ärgert, dass ein bestimmter Roman nicht auf der Liste steht (wo ist zum Beispiel Michael Kleebergs "Karlmann", den alle gerade so gut finden?), beziehungsweise dass ein bestimmter Roman auf der Liste steht (Mosebach, seufz, muss das wirklich sein?).

Wirklich wert, festgehalten zu werden, ist aber erst einmal der Eindruck, dass das ganze Verfahren durchaus einen Zivilisationsgewinn darstellt. Das Spiel funktioniert ja deshalb so gut, weil es das "Literarische Quartett"-Spiel schon lange nicht mehr gibt und das Elke-Heidenreich-Spiel auszulaufen scheint. Zwei Bestseller des Jahres (bei der Leipziger Frühjahrsbuchmesse gibt es ja das gleiche Spiel) werden inzwischen also nicht durch den TV-Promifaktor, sondern durch eine Jury aus Experten ermittelt. Das geht schon in Ordnung und ist eine angemessene Reaktion darauf, dass es den Gruppe-47-Kanon von Autoren, die man lesen muss - Grasswalserhandkeenzensberger -, nicht mehr gibt. Unsicherheit ist aber auch eingebaut. Solange das Buchpreisspiel tatsächlich Bestseller produziert, ist alles gut. Es darf sich nur nicht das Literaturgenre der Buchpreisprosa einstellen so wie einst die Suhrkamp- oder Klagenfurtprosa. Heikle Sache. Wir werden sehen.

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Dirk Knipphals, Jahrgang 1963, studierte Literaturwissenschaft und Philosophie in Kiel und Hamburg. Seit 1991 Arbeit als Journalist, seit 1999 Literaturredakteur der taz. Autor des Sachbuchs "Kunst der Bruchlandung. Warum Lebenskrisen unverzichtbar sind" und des Romans "Der Wellenreiter" (beide Rowohlt.Berlin).

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