Ausstellung zum Tod: Trauer, Schmerz und Kunst

Was fällt Künstlern zum Thema Tod ein? "Six Feet Under" - eine Ausstellung im Hygiene-Museum Dresden zeigt es. Immer diese Totenköpfe...

Nicht immer ist der Tod so schön: "Kuroki Meisa wears Gucci". Bild: izima kaoru

"Autopsie unseres Umgangs mit Toten", so lautet der Untertitel der neuen Sonderausstellung im Dresdner Hygiene-Museum, die vom Kunstmuseum Bern herübergewandert ist. Er führt bereits auf eine falsche Fährte. Mit "uns" hat diese Ausstellung nämlich nicht viel zu tun. Im Pressetext steht, sie wolle zeigen, "wie Gesellschaften ihr Verhältnis gegenüber den Toten und dem menschlichen Leichnam organisieren". Aber auch diese ethnologisch wohlklingende Beschreibung trifft nicht. Gar nicht. Denn anstelle der erwarteten analytisch umsichtigen Schau an den Schnittstellen von Kunst, Medizin, Ethnologie und Kulturgeschichte bekommt man mit "Six Feet Under" ein in sechs grobschlächtige Kapitel unterteiltes, willkürliches Sammelsurium von meist zeitgenössischer Kunst, die sich in der ihr zur Verfügung stehenden Formenvielfalt mit dem Thema "Tod" auseinandersetzt. Von "uns", "Gesellschaft" oder jedwedem über ein individualistisches künstlerisches Ausdrucksstreben hinausgehendes Fragen und Begreifenwollen keine Spur.

Ein bisschen wenig für das Hygiene-Museum, das sich doch durchdachte Sachausstellungen mit einem populären Präsentationsansatz auf die Fahnen geschrieben hat. Es hätte spannend werden können, wäre diese leichtfüßig didaktische Zeige- und Erklärfreude zusammen mit der Kunst auf die Kulturgeschichte und -gegenwart von Erschrecken, Trauern, Beerdigen, Schänden und Erinnern, eben der möglichen Umgänge mit Toten, gestoßen. In "Six Feet Under" aber ist der Anspruch lediglich, die sechs substantivisch viel zu weit gefassten Kapitel "Leichen, Totenköpfe und Skelette", "Särge, Gräber und Tränen", "Tod des Künstlers", "Tod und Lifestyle", "Hommagen" und "Nachleben" wie als Ergebnis eines Kunstgeschichte-Proseminar-Brainstormings mit irgendwie passendem Zeug zuzustopfen.

Fangen wir lieber noch mal von vorn an und stellen die Frage der interessanteren Substanz der Ausstellung angemessen: Wie gehen Künstler mit Toten um? Die Antworten, die "Six Feet Under" liefert, sind vielfältig. Künstler begegnen den Toten oft mit einer deutlich niedrigeren Hemmschwelle als der große Rest der Otto-Normal-Verdränger. Sie fotografieren Wasser- und Brandleichen und ziehen sie in Ausschnitten groß auf (Andres Serrano), sie nehmen die Geräusche von Obduktionen an Opfern von Gewaltverbrechen auf und hängen Kopfhörer in den Ausstellungsraum, aus denen es schmatzt und reißt, bricht und pladdert (Teresa Margolles).

Sie malen das ausgezehrte Bild ihres an Aids gestorbenen Freundes groß auf Vinylplane (AA Bronson) oder sie kippen das Gewicht ihres ebenfalls an Aids gestorbenen Freundes (79,4 Kilo) in Form von bunten Bonbons in eine Ecke des Ausstellungsraums, auf dass die Besucher den Leib des Toten sozusagen langsam weglutschen (Felix Gonzalez-Torres). Ron Mueck baut seinen ganzen toten Vater mit Silikon, Acryl und organischem Material wie üblich verblüffend realistisch nach, stutzt ihn allerdings auf nur einen Meter Länge. In einem Leichenschauhaus versammelt Araya Radjarmrearnsook fünf spärlich mit weißen Tüchern bedeckte Tote in Metallwannen um sich und spricht mit ihnen, als einfühlsame Seminarleiterin, die wissen will, wie es ihnen geht und was sie noch loswerden wollen. Ab und an rügt sie: "Ihr macht heute nicht so gut mit!"

Der Tod ist der Kunst, und wen wundert es, ein bevorzugtes Feld für Verarbeitung von Trauer und Schmerz, für die Herstellung spezifischer Intensitäten und auch für schöne Öffnungen zum Leben hin. Dass er dem Künstler aber genauso auch zur schalen Ästhetisierung, zur Selbstinszenierung (das Ausstellungskapitel "Der Tod des Künstlers" beweist es oft fast peinlich berührend), zur mit dem anscheinenden Tabu spielenden Dekoration (immer diese Totenköpfe!) und zum romantisierten Grabessymbolismus gereicht, wundert genauso wenig. Hätte aber eben nach irgendeiner Form des Kommentars in der Ausstellung geschrien - also eines zumindest leisen konzeptionellen Bewusstseins davon, dass sich hier sicher nicht die Gesellschaft mit den Toten auseinandersetzt, sondern das Kunstfeld sich in seinem Leib- und Magenthema suhlen darf und dabei stumpf fasziniert betrachtet wird.

"Six Feet Under. Autopsie unseres Umgangs mit Toten". Deutsches Hygiene- Museum Dresden, bis 30. März 2008

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