StudentInnen meiden Gebühren

Seit der Erhebung von Studiengebühren ist die Zahl der Studierenden in Niedersachsen gesunken. Schrecken 500 Euro pro Semester Studierwillige ab – oder liegt’s an einer demographischen Delle?

Die deutschen Studierenden sehen die Verwendung der in vielen Bundesländern verlangten Studiengebühren kritisch. Nur mit der Schulnote 3 bis 4 bewerten sie laut einer Studie der Uni Hohenheim die Studienbedingungen, die mit den Gebühren verbessert werden sollten. Der Großteil der Studierenden weiß nicht, ob etwas und was mit seinen Gebühren gemacht wurde. Die Zahl der Gebührengegner ist mit bundesweit 60 Prozent weiterhin hoch.  taz

VON KAI SCHÖNEBERG

Politik und Wirtschaft fordern mehr Hochqualifizierte, um den Standort Deutschland wettbewerbsfähig zu halten: In Niedersachsen ist die Zahl der StudentInnen mit der Einführung von Studiengebühren jedoch kräftig gesunken. Gab es im Sommersemester 2006 noch 133.750 Immatrikulierte im Land, waren es im Sommersemester 2007 nur noch 122.400 – fast ein Zehntel weniger. Im dem Semester, in dem erstmals alle Studierende Gebühren von 500 Euro pro Semester zahlen müssen, sinkt ihre Zahl an einigen Hochschulen drastisch, an der Universität Osnabrück sogar um 16,2 Prozent auf 8.100. Ob der Brain Drain zwischen Harz und Heide mit der Uni-Maut zu tun hat, ist allerdings hochumstritten.

„Ist das so schlimm“, fragte Lutz Stratmann am Donnerstag. Die Gebühren hätten viele, die nur pro forma studierten, zur Exmatrikulation bewogen, sagte der CDU-Wissenschaftsminister. Neben den Karteileichen erreiche die Hochschulen zudem gerade eine „demographische Delle“, sagte Stratmann. Von einem Abschreckungseffekt könne keine Rede sein. Lieber betonte Stratmann, dass die Zahl der Erstsemester im laufenden Semester um 2,4 Prozent auf 2.700 stieg. Außerdem wies er auf die an einigen Hochschulen aktuell hochgeschnellte Zahl der Studienbewerber für zugangsbeschränkte Fächer hin – ohne allerdings zu erwähnen, dass die neuen Online-Bewerbungen die Zahlen ohnehin hätten explodieren lassen müssen.

„Alles Schönfärberei“, wetterte die Opposition. Es sei naiv, zu behaupten, es gebe keinen Zusammenhang zwischen Studentenschwund und Studiengebühren, sagte Gabi Andretta (SPD). Vor allem Kinder aus bildungsferneren Schichten würden sich nun überlegen, ob sie sich verschulden wollten – und könnten. Schon die Immatrikuliertenzahlen des Wintersemesters seien alarmierend gewesen: Als zunächst nur die Erstsemester für Gebühren zur Kasse gebeten wurden, war die Zahl der StudentInnen im Land bereits binnen Jahresfrist um 6.000 geschrumpft.

„Wer die Einschreibungs- und Bewerberzahlen als Indiz dafür nimmt, dass Studiengebühren nicht abschrecken, dabei aber die Entwicklung der Abiturientenzahlen nicht berücksichtigt, der rechnet sich die Welt schön“, kritisierte Gabriele Heinen-Kljajic (Grüne).

Die Zahl der AbiturientInnen im Land steigt derzeit, anders als von Stratmann dargestellt, kontinuierlich an: 2005 erwarben hier 24.700 SchülerInnen die Hochschulreife, 600 mehr als im Jahr zuvor. Die neuen verschulten Bachelor- und Masterstudiengänge machten es für viele unmöglich, die Studiengebühren durch Erwerbsarbeit zu finanzieren, klagten die Asten von Uni Hannover und TU Braunschweig. Sozial Benachteiligte und Studierende aus Nicht-EU-Ländern seien nun sogar „langfristig von einem Hochschulstudium ausgeschlossen“.

Auch bei der Summe der Studiengebühren hat sich Stratmann verrechnet: Hatte er bislang prognostiziert, im Jahr kämen 120 Millionen Euro für die Lehre an den Hochschulen zusammen, ist die Bilanz für das erste Halbjahr 2007 ernüchternd: Insgesamt zahlten die StudentInnen bislang etwa 41,5 Millionen Euro ein, also aufs Gesamtjahr hochgerechnet ein Drittel weniger als erwartet.

Die Studiengebühren könnten „gerade mal die vergangenen Kürzungen kompensieren“, erwiderten die Asten aus Hannover und Braunschweig, an der Unterfinanzierung der Hochschulen habe sich nichts geändert: „Ein paar zusätzliche Tutorien können über den massiven Stellenabbau der letzten Jahre nicht hinwegtäuschen.“