„Jetzt werden Projekte verschenkt“

Heiner Monheim, Professor für Raumentwicklung, verweist auf die unterschiedlichen Interessen der Länder

HEINER MONHEIM, 61, ist Professor für Angewandte Geografie und Raumentwicklung in Trier.

taz: Herr Monheim, die Bundesländer werden heute ein Gutachten vorlegen, wonach das Bahn-Privatisierungsgesetz verfassungswidrig ist. Ist damit der Börsengang der Bahn gescheitert?

Heiner Monheim: Zumindest wird er nicht so schnell kommen wie geplant. Bislang mussten die Privatisierungsgegner darauf hoffen, dass der Bundespräsident das Gesetz am Ende nicht unterschreibt, weil es nicht verfassungskonform ist. Die Länder haben das jetzt vorweggenommen.

Wo liegt das Problem?

Laut Grundgesetz gewährleistet der Bund, dass dem Wohl der Allgemeinheit beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes Rechnung getragen wird. Die Infrastruktur fällt in den Bereich der öffentlichen Aufgaben. Diesem Grundsatz wird das Gesetz nicht gerecht.

Aber es sollen doch nur 49 Prozent der Bahn verkauft werden, die Mehrheit bleibt beim Bund.

Das ist die Argumentation von Bahn und Verkehrsministerium. Aber das sind doch Märchen. Wenn private Großinvestoren einen so hohen Anteil an der Infrastruktur bekommen, wird das nicht ohne Folgen bleiben.

Sie trauen den Vertretern des Bundes im Aufsichtsrat nicht viel zu.

Der Bund kann doch bereits jetzt nicht das Gemeinwohlinteresse gegenüber dem Bahn-Management durchsetzen. Wir haben bereits Jahrzehnte brutalster Streckenstilllegungen hinter uns, die Bahnreform hat den Kahlschlag noch verstärkt. Das wird noch schlimmer, denn jeder Kapitalgeber will Rendite. Und Schalter schließen oder Weichen entfernen kann die Bahn ganz ohne die Kontrollgremien zu fragen. Das ist normales operatives Geschäft.

Ist denn die Wirtschaftlichkeit des Bahnnetzes ein falsches Ziel?

Nein, aber es gibt eine gemeinwirtschaftliche Wirtschaftlichkeit, die ganz anders kalkuliert wird, als die Renditeerwartung eines Investors. Der will sein Geld vernünftig verzinst haben.

Wird die ablehnende Front der Bundesländer denn halten?

Das ist schwer abzuschätzen. Die einzelnen Länder haben sehr unterschiedliche Interessenlagen. Bayern will den Transrapid, Baden-Württemberg Stuttgart 21 und Thüringen die Hochgeschwindigkeitsstrecke nach Nürnberg. Alles Projekte, die von Bund und Bahn mitfinanziert werden. Diese Länder werden stillhalten.

Bund und Bahn werden sich die Zustimmung also kaufen?

Aus meiner politischen Erfahrung gehe ich davon aus, dass Mehdorn und Tiefensee jetzt Projekte verschenken. Eine Express-S-Bahn im Ruhrgebiet, Bahnhofsprojekte, jeder kann seine Pyramide bekommen. Die Frage ist, wer sich sein Maul mit Geld stopfen lässt.INTERVIEW: STEPHAN KOSCH