Atomstreit: Frankreich schürt Angst vor Krieg

Die Welt müsse sich im Atomstreit mit dem Iran auf das Schlimmste einstellen: Krieg. Sagt Außenminister Kouchner und torpediert die Diplomatie der Atombehörde.

Macht Druck auf die Wiener Atominspektoren: Außenminister Kouchner. Bild: ap

GENF taz Mit seinem aufsehenerregenden Iran-Interview vom Sonntagabend zielte Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner in erster Linie auf einen Adressaten: die 51. Jahresversammlung der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO), die gestern Morgen in Wien eröffnet wurde.

Paris will erreichen, dass die Jahresversammlung die auf eine Deeskalation und politische Lösung des Konflikts um das iranische Atomprogramm bedachte Linie von IAEO-Generaldirektor Mohammed al-Baradei korrigiert. Denn diese Linie hat nicht nur die Scharfmacher in Washington, die einen Krieg gegen Teheran befürworten, verstärkt auf den Plan gerufen, sondern auch erstmals Risse aufgezeigt in der seit September 2005 gemeinsamen Sanktionspolitik der EU gegen Teheran unter Führung des Trios Frankreich, Großbritannien und Deutschland.

Al-Baradei hatte Mitte August mit der Führung in Teheran eine detaillierten Arbeitsplan vereinbart. Darin verpflichtete sich Teheran, alle noch offenen Fragen der IAEO bezüglich des geheimen Atomprogramms, das Iran zwischen 1986 und 2003 betrieben hatte, bis spätestens Mitte November vollständig zu beantworten.

Die USA kritisierten den "Alleingang" des IAEO-Generaldirektors sowie den Umstand, dass in seiner Vereinbarung mit Teheran die Forderung des UNO-Sicherheitsrates nach unverzüglicher Einstellung des iranischen Programms zur Urananreicherung nicht erwähnt wird. Als ein Sprecher der EU bei der Sitzung des IAEO-Gouverneursrates am Dienstag letzter Woche in Wien eine ähnliche Kritik vortrug, verließ al-Baradei verärgert den Konferenzraum. Denn er hatte die Vereinbarung mit Teheran zuvor detailliert mit dem EU-Außenbeauftragten Javier Solana abgesprochen. Der IAEO-Generaldirektor verteidigte seine Vereinbarung mit Teheran mit dem Hinweis, dies sei "das erste Mal, dass der Iran die vollständige Aufklärung der noch unbeantworteten Frage" seines Atomprogramms zugesagt habe. Im Übrigen, betonte al-Baradei, habe es auch der UN-Sicherheitsrat bislang mit Sanktionen gegen Teheran nicht geschafft, den Atomstreit zu beenden.

Zugleich mit ihrer Kritik an der Vereinbarung äußerten die USA und die EU aber die Erwartung, dass sie von Teheran fristgemäß bis spätestens Mitte November umgesetzt wird. Die Bush-Administration will allerdings schon vor diesem Datum im Sicherheitsrat weitere Wirtschaftssanktionen gegen Iran beschließen. Der Entwurf für eine neue Sanktionsresolution soll nach Vorstellung der Administration bei einem Treffen der politischen Direktoren der Außenministerien der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates sowie Deutschlands am Freitag dieser Woche in Washington fertiggestellt und dann umgehend im Rat eingebracht werden. Gegen diesen Zeitplan hat die Bundesregierung jedoch Anfang letzter Woche gegenüber Washington, Paris und London Bedenken erhoben. Berlin ist zwar nicht grundsätzlich gegen einen Verschärfung der Sanktionen gegen Iran und hat in Beratungen mit den fünf ständigen Sicherheitsratsmitgliedern am 7. September sowie bei anderen Gelegenheiten mit Frankreich und anderen EU-Partnern auch schon konkrete Vorschläge unter anderem für Finanzsanktionen unterbreitet. Doch will die Bundesregierung vor einem Beschluss über neue Sanktionen gegen Iran den für Ende November angekündigten Bericht des IAEO-Generaldirektors über die Umsetzung seiner mit Teheran getroffenen Vereinbarung abwarten.

Aus diesen Bedenken der Bundesregierung gegen den von Washington verfolgten Zeitplan für neue Sanktionen konstruierten der Fernsehsender Fox und andere US-Medien sowie Kriegsbefürworter innerhalb der Bush-Administration dann das Märchen, "Deutschland, ein wichtiger Verbündeter", sei "aus dem Sanktionsbündnis gegen Iran ausgestiegen". Damit sei die Sanktionsstrategie zur Verhinderung einer iranischen Atomwaffe gescheitert und es bleibe nur noch die militärische Option.

Mit der Rede Kouchners hat sich die Regierung unter Sarkozy im Konflikt um den Zeitplan und die Dringlichkeit weiterer Sanktionen gegen Iran öffentlich auf die Seite der Bush-Administration gestellt. Ob die IAEO-Jahresversammlung und Generaldirektor al-Baradei sich davon jedoch beeindrucken lassen, ist noch offen. ANDREAS ZUMACH

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