Die neuen Verleger

„Man kann immer nur der Verleger seiner Generation sein“

Verlag Klaus Wagenbach

Hinter dem Schreibtisch von Susanne Schüssler hängt wie ein kleines Banner die Überschrift eines taz-Artikels: „Krise as usual“. Das mit der latenten Dauerkrise sei eine sehr passende Beschreibung der täglichen Verlagsarbeit, sagt Schüssler, die vor fünf Jahren von ihrem Ehemann Klaus Wagenbach die Verlagsleitung übernahm, und lacht. Doch „nach jahrelanger Erfahrung lassen wir uns davon nicht sonderlich beeindrucken“. Zumal die Situation bei Wagenbach vergleichsweise entspannt sei; nicht zuletzt deshalb, weil gut die Hälfte des Umsatzes über die Backlist erzielt würde, also über den Verkauf aller lieferbaren Titel. So sei sie finanziell nicht direkt vom Erfolg des aktuellen Programms anhängig.

Schüssler nennt zwei Stichwörter, wenn sie über die Besonderheiten ihres Verlags spricht: „Qualität“ und „Sorgfalt“, sowohl bei der Auswahl als auch bei der Gestaltung des einzelnen Buchs. Das ist das Geheimrezept, das dem Wagenbach-Verlag trotz aller Schwierigkeiten durch die Expansion der großen Handelsketten und den steigenden Einfluss der Barsortimente seinen Platz in den Regalen der Buchhändler und das Interesse der Leser gesichert hat. Wagenbach ist ein Gütesigel.

„Die meisten Verlage gucken doch gar nicht mehr auf inhaltliche Qualität. Gemacht wird das, was nach irgendwelchen Marketingkriterien hohe Verkaufszahlen zu versprechen scheint.“ Doch mit solchen Prognosen könne man reichlich danebenliegen. Deshalb vertraut sie nicht auf Marketingexperten, sondern auf die Kompetenz ihrer Lektoren, die darüber entscheiden, ob ein Buch verlegt wird oder nicht.

Etwas böswillig könnte man sagen, dass das Programm des Wagenbach-Verlags die Entwicklung der Achtundsechziger-Generation widerspiegele: vom politischen Engagement (für das Klaus Wagenbach ein ums andere Mal der Prozess gemacht wurde) hin zur arrivierten Toskana-Lebensart. Die Übersetzung italienischer Literatur ist zum Merkmal des Verlags geworden.

Dieser Imagewandel scheint zwar nicht unbedingt zum kecken Slogan „Der unabhängige Verlag für wilde Leser“ zu passen, dafür aber umso besser zur gediegenen Adresse in Berlin-Wilmersdorf. „Natürlich haben wir die ganze Zeit auch politische Bücher gemacht“, widerspricht Schüssler. Die seien nur sehr wenig wahrgenommen worden. Das soll in Zukunft anders werden, und deshalb hat Susanne Schüssler eine politische Reihe konzipiert, die im nächsten Frühjahr mit den ersten vier Büchern anlaufen wird. Glücklich führt sie die Entwürfe für die fast komplett in Weiß gehaltenen broschierten Bände vor. Nicht nur das Prinzip der Reihen, das mit der Rotbuch-Serie oder den knallroten SALTO-Leinenbändchen bei Wagenbach Tradition hat, soll damit fortgesetzt werden. Man wolle auch erschwingliche Bücher produzieren.

Bei der Frage nach dem Preis von Büchern wird sie ein wenig nachdenklich. Wenn man nach den selbst verordneten Standards weiterarbeiten will, werden die Bücher langfristig wohl teurer werden müssen, vermutet sie. Sie hoffe, dass die Käufer dazu bereit sein werden, für Qualität auch etwas mehr zu bezahlen. Dass das nicht immer eine Sache der freien Entscheidung ist, wird sie selbst wissen. WIEBKE POROMBKA

Fotohinweis: Susanne Schüssler, 46, seit 2002 Geschäftsführerin im Verlag Klaus Wagenbach

Verlag Fischer

„Ich bin ein großer Anhänger der traditionellen verlegerischen Werte“, sagt Jörg Bong, Jahrgang 1966. Aus dem Munde eines Mannes, der verlegerischer Geschäftsführer eines Konzernverlags ist, klingt dieser Satz ein wenig überraschend. Doch die Verlegerin des traditionsreichen S. Fischer Verlages, das stellt Jörg Bong klar, ist nach wie vor Monika Schoeller. Er selbst sei nur verlegerischer Geschäftsführer oder, was er am liebsten hört, „Programmmacher“. Diesen Posten übertrug ihm Monika Schoeller vor fünf Jahren. Zuvor hatte er im Verlag als Programmleiter für die deutschsprachige Literatur und als Assistent der Verlegerin gearbeitet.

„Bestseller erlauben es, sich dem System Bestseller zu entwinden“

In seiner Zeit als Geschäftsführer habe sich der Umsatz des Verlags verdreifacht, erzählt Bong. Ein Indiz dafür, dass in den großen Verlagen nur noch die Profite zählen und mehr und mehr die Marketingabteilungen und nicht die Lektorate entscheiden? „Das ist schlicht und einfach unwahr“, sagt er. Eine Mischkalkulation habe es in jedem literarischen Verlag schon immer gegeben, „aber welches Buch bei uns verlegt wird, entscheidet das Lektorat vollkommen autonom“. Erst die Mischkalkulation ermögliche es, auch Bücher zu veröffentlichen, die sich schlechter verkaufen: „Nur Bestseller erlauben es noch, sich dem System Bestseller zu entwinden.“

Der S. Fischer Verlag habe sich stets an die Prinzipien „Mut, Enthusiasmus, Entschlossenheit und Werktreue“ gehalten. Für ihn geht es darum, diese Tugenden in modernisierter Form auf das Wirtschaftsunternehmen zu übertragen, das die Verlagsgruppe auch ist. Der Satz von Siegfried Unseld, man verlege keine Bücher, sondern Autoren, besitzt für Bong weiterhin Gültigkeit: „Es geht um Werk- und Wirkungszusammenhänge, nicht um den kurzfristigen Erfolg.“ Und Monika Schoeller sei die Garantin dafür, dass für den S. Fischer Verlag dieses Leitbild auch dann gelte, wenn ein Titel eines Hausautors möglicherweise einmal nicht ökonomisch erfolgreich ist.

Das literarische Buch, schrieb Adam Smith Ende des 18. Jahrhunderts, sei „ein seltsames Ding“. Verlegen und Vermittlung von Literatur, Handel, Verkauf und Erfolg seien irrational wie die Sache selbst, die Literatur. Bong glaubt, dass diese Erkenntnis noch immer gültig ist – trotz der Umwälzungen, die die Branche allen voran in der Distribution und in anderen Bereichen in den vergangenen Jahren erlebt habe. Bestseller seien nicht berechenbar und nicht planbar. So hätte niemand im Verlag zuvor geglaubt, dass ein Buch wie das der Literaturwissenschaftlerin Silvia Bovenschen einmal ein Verkaufshit werden würde, und plötzlich stand „Älter werden“ auf der Bestsellerliste. „Für jeden literarischen Titel definiert sich der Markt erst durch das Buch selbst; in dem Moment, in dem es erscheint“.

Eines jedoch dürfe jemand, der sich mit dem Büchermachen beschäftige, niemals haben: Angst, erst recht keine vor dem eigenen Urteil. Denn durch die Zeiten hindurch, trotz Digitalisierung und Internet, Marktrevolution und Bestsellerwahn, sei ein Büchermacher stets auf die gleiche Situation zurückgeworfen: „Du, ein Text und deine Urteilskraft“. Ein altmodischer Mann, dieser Jörg Bong. Der Erfolg scheint ihm Recht zu geben. CHRISTOPH SCHRÖDER

Fotohinweis: Jörg Bong, 41, seit 2002 verlegerischer Geschäftsführer bei S. Fischer

Verlag Rowohlt

Als der Holtzbrinck-Konzern im Jahr 2002 Alexander Fest mit der Führung des ins Trudeln geratenen Rowohlt-Verlags beauftragte, versprach das eine interessante Story zu werden. Fest, Jahrgang 1960 und studierter Altphilologe, war zuvor als Lektor bei dtv und Siedler tätig und hat später seinen eigenen kleinen Verlag gegründet.

Schnell wurde der Alexander Fest Verlag zur intellektuellen Keimzelle einer „Generation Berlin“ ernannt, die der in Ehren ergrauten Suhrkamp-Kultur arg zuzusetzen schien. Dafür sorgten Autoren wie etwa Max Goldt, Georg Klein, Eckart Henscheid für ein starkes Profil. Und dennoch gab Fest für den großen Rowohlt-Verlag sein erfolgreiches Projekt auf.

„Wir lassen uns von der Dauerkrise nicht mehr beeindrucken“

Nach fünf Jahren herrscht in Reinbek eine beeindruckende Routine des Erfolgs. Zahlreiche Bestseller hat die Ära Fest dem Verlag beschert: zunächst mit den amerikanischen Wälzern von Jonathan Franzen ( „Korrekturen“) und Jeffrey Eugenides („Middlesex“), dann Daniel Kehlmanns „Vermessung der Welt“. Gut verkauften sich ebenfalls Sachbücher wie Stefan Kleins „Glücksformel“ und die Bücher von Inge und Walter Jens über die Mann-Familie.

Im vergangenen Jahr gab es den Erfolg der Jugenderinnerungen des Verleger-Vaters Joachim Fest. Peter Rühmkorf und der nach vielen Jahren von Suhrkamp geflohene Martin Walser sind bei Rowohlt gelandet, ebenso Klassiker wie Kurt Tucholsky oder Wolfgang Borchert. Und ein großer, verkannter Autor wie Hans Joachim Schädlich hat jüngst für seinen meisterlichen Erzählungsband „Vorbei“ den Preis der SWR-Bestenliste erhalten. Wenn im nächsten Jahr Rowohlt seinen 100. Geburtstag feiert, scheint der Verlag neben Hanser, S. Fischer und Suhrkamp seinen Platz unter den vier deutschen Häusern von Rang gesichert zu haben.

Doch im zyklischen Buchgeschäft kann Erfolg trügerisch sein. Für den Buchpreis beispielsweise gab es keine Nominierung, und ob die Lust des Publikums auf große amerikanische Romane ewig andauert, ist äußerst fraglich. Amerika bleibt für Fest dennoch das verheißungsvolle Zauberwort, das immerwährende Modernität verheißt und mit Hemingway, Updike, Pynchon, Auster zum Herzstück der Rowohlt-Tradition gehört. Fest, der Rolf Dieter Brinkmann zu seinen Favoriten zählt, verschlang als Jugendlicher die Rowohlt-Autoren Pynchon und Kerouac.

Alexander Fest gehört wie Frank Schirrmacher und Giovanni di Lorenzo zu jener Generation, die mittlerweile in Schlüsselpositionen für Deutungseliten gelangt sind, ohne dass ihr geistiges Profil bereits festgeschrieben wäre. Dass Fest im August 2004 den Vertrag mit einem Achtundsechziger-Produkt wie der Zeitschrift Kursbuch nicht verlängerte, weil es das Verluste anhäufende „Unternehmen einer Generation“ gewesen sei, hatte symbolischen Charakter. Fest ist davon überzeugt, dass man „immer nur der Verleger seiner Generation sein kann und dass die Wahrnehmungsfähigkeit, das Urteilsvermögen für das, was an neuer Literatur entsteht, sich eigentlich nie mehr als zwanzig Jahre vom eigenen Alter entfernt“.

ALEXANDER CAMMANN

Fotohinweis: Alexander Fest, 47, seit 2002 verlegerischer Geschäftsführer bei Rowohlt