Linke Familienpolitik: Die Wacht an der Saar

Wo "Fremdarbeiter" und "Fremdbetreuung" Hand in Hand gehen: Oskar Lafontaine unterstützt die seltsam reaktionäre Familienpolitik seiner Frau Christa Müller.

Das Polit-Paar vor der Geburt des Stammhalters Bild: dpa

Es war einmal in den ersten Monaten der rot-grünen Koalition, da hieß es, nicht der Finanzminister, sondern seine Frau bestimme die Politik. Der Finanzminister war Oskar Lafontaine; Gattin Christa Müller, so munkelte man, ziehe im Hintergrund die Fäden. Der Mainzer Karneval karikierte sie als Domina, die Medien sichteten eine geltungssüchtige und karrieregeile Emanze. In Talkshows forderte die diplomierte Volkswirtin damals mehr öffentliche Kitaplätze und das Recht von Männern wie Frauen auf Erwerbsarbeit. Knapp zehn Jahre später klingt ein völlig anderer Sound aus dem Hause Lafontaine. Im Spiegel erregt sich Müller über den "Zwang zur Fremdbetreuung" durch den geplanten Krippenausbau: Die Politik übe "Druck auf die Frauen" aus, schon "ein Jahr nach Geburt ihres Kindes arbeiten zu gehen".

Christa Müller hat dem Druck widerstanden. Dem Lafontainschen Stammhalter Carl-Maurice, 1997 geboren, blieb die "Fremdbetreuung" erspart. Mama harrte aus im kleinen Saarland, während Papa hinaus ins feindliche Leben ging und im großen Berlin eine neue Partei gründete. Doch halt, war da nicht was? Wir erinnern uns an einen zweijährigen Jungen, den Lafontaine auf der Terrasse seines Hauses in die Fernsehkameras hielt, als er gerade überstürzt seinen Ministerposten geräumt hatte. Carl-Maurice auf Oskars Arm als Symbol für die neue Väterlichkeit? Endlich mal ein Politiker, der nicht 18 Stunden am Tag arbeitet, sondern dem Sohn das Lätzchen bindet? Kinder, doziert Christa Müller, fühlen sich "in den Familien am besten aufgehoben, in denen Vater und Mutter Teilzeit arbeiten oder die Mutter Hausfrau ist". Zwangsteilzeit für Oskar also statt Zwangsbetreuung durch Fremde?

Allzu lange hat Lafontaines unfreiwilliges, aber medientaugliches Heimpraktikum bekanntlich nicht gedauert. Zunächst hatte er alle Hände voll zu tun, von seinen Ämtern zurückzutreten, seine Partei zu verlassen und darüber ein Buch zu schreiben. Der kleine Carl-Maurice, bestens aufgehoben bei Mama Müller, war gerade mal eingeschult, da schmiedete Papa schon wieder große Pläne. Zupass kamen ihm dabei die Hartz-Gesetze, gegen die er zum Beispiel in Chemnitz wetterte. "Proletarier aller Länder, vereinigt euch" steht dort neben dem riesigen Kopf von Karl Marx. Lafontaine nahm sich die Freiheit, die Parole umzudeuten: Der Staat sei verpflichtet zu verhindern, dass "Familienväter und Frauen arbeitslos werden, weil Fremdarbeiter zu niedrigen Löhnen ihnen die Arbeitsplätze wegnehmen". Fremdarbeiter, so steht es im Brockhaus, ist eine "nationalsozialistische Bezeichnung für im Zweiten Weltkrieg aus besetzten Gebieten nach Deutschland deportierte Arbeiter". Nicht nur die künftigen Parteifreunde der PDS reagierten empört; selbst die Bild-Zeitung monierte, Lafontaine habe sich im Ton vergriffen - während die NPD lobte, er bringe "die Sache auf den Punkt".

Das Fremde ist für das deutsche Gemüt steter Anlass zur Unruhe. So wie der Nazijargon zu allem Fremden Distanz will zwecks Abgrenzung gegenüber Minderwertigem, so entwirft auch Christa Müller ein Bedrohungsszenario, wenn sie "Fremdbetreuung" geißelt. Tagesmütter oder Erzieherinnen, die sich täglich um ein Kleinkind kümmern, machen es einfach nicht gut genug. Nicht so wie Mutti. Papi redet derweil von "Familienvätern", denen "Fremdarbeiter" die Arbeit wegnehmen. Der deutsche Familienvater braucht schließlich Geld, um die Seinen zu ernähren. Eine "Familienmutter" kennt die deutsche Sprache gar nicht erst.

Die deutsche Mutter bleibt wie Christa Müller zu Hause. Jetzt fordert die "Eva Herman der Linken" (FAZ) zusammen mit christlichen Verbänden auch noch ein Erziehungsgehalt. Die Parteispitze ist aufgebracht, ebenso die Frauenarbeitsgemeinschaft auf Bundesebene. Müller aber bleibt unbehelligt "familienpolitische Sprecherin" der Linken im Saarland - und macht die Wünsche des ultrakonservativen "Familiennetzwerks" populär. Überzeugte Hausfrauen, enttäuschte Väterrechtler, militante Abtreibungsgegner und fundamentale Kleriker haben sich verbündet, weil ihnen in der Familienpolitik die ganze Richtung missfällt.

So strandet der linke Populismus aus dem Hause Lafontaine genau dort, wo er hingehört: rechts außen, wo Fremdarbeiter und Fremdbetreuung nicht nur sprachlich zusammenpassen.

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