Doku: Der Klötzchen-Künstler

Hollywood-Regisseur Sydney Pollack zeichnet im Dokumentarfilm "Sketches of Frank Gehry" ein gelungenes Porträt des dekonstruktiven Architekten Frank Gehry

Auch aus Klötzchen, irgendwie: Gehrys Guggenheim Museum in Bilbao Bild: kinowelt

Der Regisseur Sydney Pollack hat eine Dokumentation über den Architekten Frank Gehry gedreht. Darüber darf man sich erst einmal wundern. Denn von Architektur hat Pollack, wie er geradeheraus eingesteht, nicht die geringste Ahnung. Und einen Dokumentarfilm hat er auch noch nie gedreht. "Genau deshalb bist du der Richtige", muntert ihn Gehry auf. Der Star-Architekt und der Filmemacher sind seit Jahren eng befreundet, damit ist "Sketches of Frank Gehry" gewissermaßen ein Buddy-Movie der besonderen Art. Die Vertrautheit der beiden ist der Gewinn des Films. Immer wieder setzt sich Pollack zu seinem Interviewpartner vor die Kamera, dann unterhalten sich die beiden über die Konflikte mit den kommerziellen Anforderungen ihres Berufs, über ihr Selbstverständnis als Künstler sowie darüber, warum es so lange braucht, bis sich das Metier, für das man sich entschieden hat, nicht mehr wie ein bloß geborgter Frack anfühlt. So ist der Film angenehm persönlich, ohne je ins Anekdotische abzugleiten. Gehrys Leistungen als Architekt bleiben stets im Vordergrund.

Schon als Kind habe er gern mit Holzklötzchen hantiert, erklärt Gehry, und das war es wohl, was ihn schließlich auf die Idee brachte, Architekt zu werden: So kann er die Leidenschaft seiner Kindheit gegen Bezahlung weiterführen. Der Architekt als spielendes Kind: keine völlig abwegige Vorstellung angesichts von Gehrys Bauwerken, mit ihren exzentrischen Wendungen und ihrem Mut zum Schrägen. Und nicht zuletzt angesichts der Dickköpfigkeit, mit der solche Projekte sich anfangs wohl durchsetzen mussten und die sie in ihrer solitären Anmutung immer noch ausstrahlen. Die Kraft dafür bezieht Gehry aus einem so experimentierfreudigen wie rebellischen Selbstbewusstsein, das überkommene Dogmen immer wieder in Frage zu stellen vermag. Kein Wunder, dass Gehry sich schon während des Studiums in der Künstlerszene wohler gefühlt hat als in der eigenen Zunft. Als Architekt schätzt er die Ausdrucksfähigkeit von Skulpturen; was ihn daran fasziniert, ist allerdings weniger die Möglichkeit, massives Material in Gestalt zu bringen, als das Wechselspiel von Festigkeit und Leere, von Oberfläche und Reflexion: Wie bringt man das Licht dazu, in und an einem umbauten Raum selbst Element zu werden? Hier öffnet sich eine unvermutete Verbindung zum Zweidimensionalen, zu Malerei und Film: Entscheidend an einem Gebäude sei, so Gehry, "die Art und Weise, in der das Licht auf das Material trifft". Architektur sei letztendlich eine Kunst der Oberfläche - und in dieser Hinsicht der Malerei immer unterlegen.

Die Gespräche der beiden bilden das Herz des Films und würden allein ausreichen, den ganzen Film zu tragen. Es scheint mehr der Konvention geschuldet, dass auch Gehrys bekannteste Gebäude großformatig ins Bild gerückt werden, allen voran das spektakuläre Guggenheim-Museum in Bilbao. Genauso dürfen sich Architekturtheoretiker und Kuratoren - sowie Gehrys Psychoanalytiker - zum eigentümlichen Werk des dekonstruktiven Baukünstlers äußern. Anerkennung und Lob überwiegen, doch Pollack ist kein Erfüllungsgehilfe für Gehrys Ruhm und lässt auch die Gegenseite zu Wort kommen. Der Kunstkritiker Hal Foster, passend in Schwarz gekleidet, übernimmt den Part des Advocatus Diaboli. Schießen Gehrys Gebäude in ihrer Absicht, Aufmerksamkeit zu erregen, übers Ziel hinaus? Wird die Verpackung wichtiger als der Inhalt? Der Einwand, dass der offensive Kunstwille des Guggenheims in Konkurrenz tritt zur ausgestellten Kunst darin, liegt auf der Hand. Der Maler und Regisseur Julian Schnabel tritt zur Verteidigung an: Kunst, die sich nicht auch gegen solche Räume behaupten kann, ist keine. Den monumentalen Gemälden des Großformat-Künstlers Schnabel könnte man jedoch umgekehrt vorhalten, durch schiere Wucht ihre Umgebung zu erdrücken.

Aber anders als beispielsweise "Schindlers Häuser" von Heinz Emigholz ist "Sketches of Frank Gehry" letzten Endes kein Film über Architektur. Woran Pollack vor allem interessiert ist, ist der künstlerische Entstehungsprozess als solcher: daran, wie man einen Anfang macht. Und das heißt vor allem: wie man seine Panik vor dem weißen Blatt überwindet, jedes Mal aufs Neue. Bei Gehry sind es flüchtig hingeworfene Skizzen, die der Film wie prächtige Paläste inszeniert. Dann fährt die Kamera schwungvollen Konturen und sich verwickelnden Linien nach, gleichsam auf der Suche nach dem Funken, der diese ausgelöst hat.

Die andere Methode des Anfangens lautet Basteln. Dann setzen Gehry und seine Mitarbeiter Papprollen aufeinander, zersägen Holzklötzchen, verwerfen alles wieder, fangen von vorn an. Was später massig in Stahl, Stein oder Glas stehen wird, hat seinen Anfang als Bricolage aus Tesafilm und zerknülltem Packpapier. Kein Wunder, dass gerade Linien und rechte Winkel nicht zu Gehrys Vorlieben gehören. "Das muss verschrobener werden", kommentiert er am Modell die flache Seite eines Gebäudes und knickt sogleich ein paar Falten hinein. Bei aller Spielfreude wären Gehrys Ideen kaum umzusetzen ohne die Hilfe seiner Mitarbeiter, die die Bastelarbeiten im Computer in technisch korrekte Baupläne übersetzen. Das Genie und die Teamarbeit: "Sketches of Frank Gehry" gelingt die feine Balance zwischen Künstler-Hommage und dem entspannten Porträt eines Freundes, das sich nicht scheut, auch dessen Eigenwilligkeiten und Sturheiten zu zeigen.

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