Country-Doku: Chicks gegen den Krieg

Als sich die Dixie Chicks gegen den Irak-Krieg aussprachen, wurden sie mit dem Ruf "Shut up and sing" boykottiert. So heißt jetzt eine Doku über die Band.

Dreckiger Humor und ein Faible für versaute Reden: die Dixie Chicks Bild: promo

Im Januar 2003 durften die Dixie Chicks - mit 30 Millionen verkaufter Platten die erfolgreichste Frauenband aller Zeiten - beim Superbowl noch dreistimmig die Nationalhymne singen.

Im März 2003, wenige Tage vor der US-Invasion im Irak, trat die Band zum Start ihrer Welttournee in London auf, wo am gleichen Tag eine große Demonstration gegen den Irakkrieg stattgefunden hatte. Deshalb machte Sängerin Natalie Maines abends auf der Bühne die eher beiläufige Bemerkung, dass die Dixie Chicks ja auch gegen den Krieg wären und sich im Übrigen dafür schämten, aus dem gleichen Bundesstaat wie Präsident Bush zu kommen. Was darauf folgte, ist bekannt: Hetzkampagnen, Morddrohungen, eine Hexenjagd sondergleichen gegen die Countrymusikerinnen.

Vielleicht zeigte sich dieser tiefe Hass, weil es gerade die jeder antiamerikanischen Umtriebe gänzlich unverdächtigen, amerikanischen Sweethearts waren, die in Zeiten nationaler Gefahr ihrem Präsidenten in den Rücken gefallen waren. Die liebevollste Antwort des Publikums lautete da gerade noch "Shut up and sing", was Barbara Kopple zum Titel ihrer Dokumentation machte, die jetzt in die Kinos kommt. Öfter erklärten stiernackige Countryfans den "Dixie Sluts" und "Saddams Angels": "Redefreiheit gut und schön, aber nicht vor Publikum und nicht im Ausland!"

Der landesweite Boykott der Band war dabei keine rein emotionale Fanentscheidung, sondern wurde von den Countrysendern, vor allem jenen mit guten Verbindungen zu rechten Gruppierungen, gut geplant und organisiert. Da wurden vor den Radiostationen Bulldozer zur CD-Niederwalzung aufgefahren. Natalie Maines, das Enfant terrible der Band, reagierte mit Unversöhnlichkeit und Stolz auf diese Zurückweisungen, und ihre Kolleginnen hielten zu ihr.

"Shut up and sing" springt nun recht unvermittelt zwischen den Jahren 2003 und 2006, zwischen dem Eklat und seinen Folgen hin und her, als wolle man auf Teufel komm raus bloß keine allzu lineare Geschichte erzählen. Dabei bleibt der Film aber in den Grenzen einer typischen Banddoku. Fans und Gegner, Manager und Mitarbeiter kommen zu Wort, Konzertmitschnitte wechseln sich mit Studioaufnahmen, Backstageimpressionen mit Reisebildern ab. Etwas penetrant geraten die "intimen Momente", wenn ständig Kleinkinder herumgereicht und schwangere Bäuche in die Luft gestreckt werden, aber dafür, so erfährt man im Presseheft, können die Dixie Chicks nichts, sie wollten auf keinen Fall als die Supermütter dargestellt werden. Doch Regisseurin Barbara Kopple fand diesen Aspekt ungemein wichtig, damit die Zuschauer verstehen können, wie die Musikerinnen als "Mütter und Amerikanerinnen" aus Sorge um ihr Land und ihre Kinder sich gegen den Krieg ausgesprochen haben.

Interessant wird es, wenn die leidige Anti-Bush-Geschichte zurücktritt und der Musikerinnenalltag der Dixie Chicks gezeigt wird. Wie sich Produzentenlegende Rick Rubin in Jogginghosen auf dem Studiosofa fläzt, wie sich die Chicks mit dem Drummer der Red Hot Chili Peppers über Band-Sozialmanagement mittels Tantiemenverteilung unterhalten.

Nach dem Einbruch der Verkaufszahlen werden neue Strategien diskutiert: Wie promotet man eine CD, wenn die Radiosender die Band boykottieren? Was sagt der Sponsor, was die Plattenfirma? Die Diskussion um den viel besprochenen Stilwechsel, die "Neuerfindung" der Band ist dabei nicht recht nachzuvollziehen, für die Dixie Chicks scheinen Welten zwischen der neuen, von Rick Rubin produzierten CD und den Vorgängeralben zu liegen. "Haben sie ihre Wurzeln vergessen, ist das noch Countrymusic?", fragen sie sich besorgt. Aber auch der aufmerksame Hörer kann nur eine Wandlung von etwas seichtem Mainstream-Country zu etwas seichtem Mainstream Country mit Rock- und Popeinflüssen heraushören.

"Shut up and sing" ist trotzdem unterhaltsam und interessant, weil er einerseits alle Vorurteile gegenüber amerikanischen Patrioten und Countrymusicfans bestätigt und andererseits alle Vorurteile über amerikanische Countrymusikerinnen aus dem Weg räumt. Nach 90 Minuten sieht man die Dixie Chicks in einem ganz anderem Licht. Als echte Freundinnenband mit großem emotionalen Zusammenhalt, als Familienmenschen mit insgesamt 7 Kindern, als freiheitsliebende Musikerinnen mit dreckigem Humor und einem Faible für versaute Reden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.