Ostalgie: Design-Hotel ist "politisch unkorrekt"

BürgerrechtlerInnen äußern Kritik am "Ostel", das mit billigen Preisen und Genosse Sindermann am Empfang wirbt.

Mit Erich überm Bett lässt es sich vom Realsozialismus gut träumen Bild: dpa

BERLIN taz Schon das Banner, das vor dem 6-stöckigen Plattenbau in Berlin-Friedrichshain für Übernachtungen im Ostel wirbt, lässt unschwer erkennen: Hier geht es vor allem um den Style. Die Werbefahne sieht wie ein trutschiger Vorhang mit 70er-Jahre-Muster aus, Ähnlich gestaltet sind auch die Tapeten an den Wänden der 33 Zimmer der Herberge. Mehrere Monate waren Daniel Helbig und Guido Sand, die beiden Macher des Hostels im DDR-Design, auf Trödel- und Antiquitätenmärkten unterwegs und erwarben möglichst viele Originalstücke aus dem sozialistischen Alltag.

Wandverkleidungen und Gardinen unterscheiden sich kaum von der Inneneinrichtung durchschnittlicher Szene-Clubs im Retrostil, hier werden sie durch Ostdevotionalien ergänzt: Am Empfang lächelt schmallippig ein Porträt des ehemaligen Vorsitzenden des DDR-Ministerrats, Horst Sindermann, in den Zimmern wachen Erich Honecker und Willy Stoph über den Schlaf der Besucher. Je nach Budget leistet man sich für 9 Euro im "Pionierlager" ein schmales Einzelbett oder bucht für 59 Euro das Ehebett in der Stasi-Suite. Als "weltoffen und politisch unkorrekt" bezeichneten Helbig und Sand ihr Design-Hotel im Juni in der Berliner Morgenpost. Und wollten damit sagen, dass es ihnen nicht um ein politisches Statement, sondern um ein stylisches Ambiente geht. Dabei ist selbst dem Mobiliar die Geschichte des ehemaligen Arbeiter- und Bauernstaates eingeschrieben: Die schweren Holzbetten und -schränke etwa stammen aus dem Nachlass von Genossen aus der ehemaligen Funktionärssiedlung Wandlitz - für Normalbürger einst Sperrgebiet.

Der laxe Umgang mit der Vergangenheit wird von BürgerrechtlerInnen und Stasi-Opfern nun kritisiert. Auslöser war eine Art Ostereier-Suche mit Plastikwanzen im "Ostel", für die man an der Bar ein Freigetränke erhielt. Bürgerrechtlerin Freya Klier bezeichnete die Aktion gegenüber der Berliner Zeitung als "atemberaubend dumm und bösartig", Richard Buchner aus dem Vorstand der Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft sprach von einer "Verhöhnung der Opfer, die in Stasi-Kellern gelitten haben, und eine(r) Beleidigung all derer, die in der DDR benachteiligt wurden."

Die Frage, ob man der Alltagskultur der DDR, losgelöst von einer Auseinandersetzung mit dem politischen System und seinen Verbrechen, huldigen darf, ist kein neues Thema. Als sich im Sommer 2003 ZDF, SAT 1, RTL und MDR wöchentlich mit Ostalgieshows überboten, wurden Bedenken laut, dass die politische Diskussion um das Erbe der DDR durch diese oberflächlichen Rückblicke verdrängt werde. Beim Publikum kamen die Shows mit rund 20% Marktanteil gut an, und auch Berlins DDR-Hostel ist immer gut besucht. Solange die Kommerzialisierung der Alltagskultur der DDR so erfolgversprechend ist, wird die Ostalgiewelle wohl kaum abebben. Das "Ostel" jedenfalls ist dabei zu expandieren: gleich neben dem Plattenbauhotel sind nun auch Ferienwohnungen im DDR-Stil frei.

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