Kunstgeschichte: Marc Jacobs Muse

"People. Kunst heute" - mit dem Band stellt Charlotte Mullins einen klug konzipierten Überblick zur figürlichen Malerei heute vor. Auf dem Cover: ein Promi der Kunst- und Modeszene.

Hippe Sonnenbrille - Gibts bei H&M, Marc Jacobs und auf Leinwand Bild: promo

Doch, sie sieht sehr fashionable aus, die junge Frau im Pelz, mit der riesigen Sonnenbrille, die den Stil der 70er-Jahre zitiert. Kein Wunder, dass sie sehr viele Leute von den People-Seiten der großen Modemagazine kennen. Da steht sie dann wie die anderen Promis im Blitzlicht, gerne bei den After-Partys des Designers Marc Jacobs. Sie gilt ein bisschen als seine Muse, selbst wenn man sie auf solchen Schnappschüssen meist an der Seite ihres Mannes John Currin sieht - weil sie vor allem dessen Muse ist.

Etwas weniger Leuten ist sie über Kunstzeitschriften wie Frieze, Flash Art oder Art Forum ein Begriff. Und nachdem letzteres Magazin auch eine Online-Ausgabe mit einer People-Seite betreibt, kennen inzwischen auch die Leute aus dem Kunstbetrieb ihre glamourösen Auftritte. Das heißt aber nicht, dass sie dort nur in ihrer Funktion als Muse ihres Mannes, des Malerstars John Currin, gewürdigt würde. Nein, Rachel Feinstein ist selbst eine bekannte Malerin. Nun schmückt ihr von John Currin gemaltes Porträt das Cover eines klug konzipierten Bildbandes, den die britische Kunsthistorikerin Charlotte Mullins herausgegeben hat und der vollkommen zu Recht, und zwar in vielerlei Hinsicht vollkommen zu Recht, den Titel "People" trägt, mit dem erklärenden Untertitel "Kunst heute".

Ausgehend von der These, dass die aktuelle Frage, wer wir sind, was uns heute ausmacht und wie wir uns geben, in den letzten fünfzehn Jahren besonders im Medium der Malerei verhandelt wird, versucht Charlotte Mullins in diesem Band einen internationalen Überblick zur figürlichen Malerei. Und da spielt natürlich der People-Aspekt innerhalb des Spektrums "People - Der Mensch in der Malerei", wie Mullins ihre konzise Einführung überschreibt, eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Die von ihr vorgestellten Maler und Malerinnen sieht Mullins in der einst von Charles Baudelaire propagierten Rolle des "Malers des modernen Lebens". Erstmals seit dessen Freund Eduard Manet diese Aufgabe in Angriff nahm, setzen sie seine Erkundungen darüber fort, wie dieses moderne Leben zu malen sein.

Eine starke These, die Charlotte Mullins allerdings in der äußerst intelligenten Sortierung der Arbeiten in Kapiteln, die "In den Städten", "Fremde Welten" oder "Dekonstruktion der Vergangenheit" heißen, diskussionswürdig macht. Dazu tragen auch ihre unaufwendigen, genauen Kurztexte zu den jeweiligen Künstlern bei - den jungen aufsteigenden Talenten wie Henning Kles, Dana Schutz oder Nicola Tyson wie den bekannten Größen wie Chéri Samba, Lucian Freud oder Gerhard Richter. In diesen Texten stellt sie ihre Arbeiten immer wieder als selbstbewusste Neuinszenierungen notwendigerweise schon bekannter Sujets und Motive heraus - nicht mehr in Konkurrenz zur Fotografie, sondern mit Hilfe der Fotografie, aber auch des Films, des Comics und nicht zuletzt dank der Drucker, Scanner und dem Internet.

Man muss Charlotte Mullins nicht in allen ihren Darlegungen folgen, trotzdem kommt man nicht umhin, ihre selbstbewusste und unabhängige Sicht der Dinge zu würdigen. Dazu gehört übrigens auch, dass zwar John Currin ("People - Kunst heute", hrsg. von Charlotte Mullins. Dumont Verlag, Köln 2007, 192 Seiten, 25 ¤) seinen Auftritt hat, Rachel Feinstein aber nicht.

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war Filmredakteurin, Ressortleiterin der Kultur und zuletzt lange Jahre Kunstredakteurin der taz. Seit 2022 als freie Journalistin und Autorin tätig. Themen Kunst, Film, Design, Architektur, Mode, Kulturpolitik.

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