Harald Schmidt wird 50: Das Ein-Mann-Leitmedium

In 20 Jahren hat er das Fernsehen zu seinem Abenteuerspielplatz umgebaut. Nun will er kürzertreten. Schmidt braucht das Fernsehen nicht mehr, aber es braucht ihn.

Auch "Unser Charly" kann einen Sidekick wie Schmidt ganz gut gebrauchen Bild: dpa

Harald Schmidt ist ein Geschenk. Fürs Publikum sowieso, kaum weniger jedoch für Journalisten. Es gibt kein Thema, zu dem der Entertainer nichts zu sagen hätte. Mittlerweile ist selbst sein Privatleben (oder das, was er uns als sein Privatleben verkauft) nicht mehr tabu. Dem einen Journalisten gesteht er, bei der Beerdigung seiner Großmutter geweint zu haben - dem nächsten erzählt er, dass er gelogen habe, weil ihm das Thema zu privat war.

Die Lage der Nation und die der Ironie lassen sich mit Schmidt in einem Interview abhandeln. Deswegen rollen die Redaktionen ihm den roten Teppich aus: Alleine drei Spiegel-Gespräche hat das Ein-Mann-Leitmedium in den vergangenen sechs Jahren gewährt - die Titel: "Ich mache es gegen die Langeweile" (2001), "Ich nehme, was kommt" (2005), "Mit Late-Night bin ich fertig" (2007). Mit der Hochkultur der Feuilletons übrigens auch, sagte er zumindest im Zeit-Dossier zu seinen Ehren (2006). Was wohl als Nächstes kommt? Heute zuerst mal sein 50. Geburtstag - und dann hoffentlich noch eine ganze Menge.

Viele Prominente leiden darunter, mit ihrem Geschwätz von vorgestern konfrontiert zu werden, Schmidt nicht. Indem er einfach weiterschwätzt und mit jedem dritten Satz eine mögliche Überschrift raushaut, überlagern die neuen Aussagen die alten komplett. Er begreift das öffentliche Interesse an seiner Person und seinen Positionen als Spiel. "Ich kann mich eigentlich zu jedem gewünschten Thema äußern, übrigens auch mit jeder gewünschten Überzeugung", sagte er der taz 2006. Harald Schmidt hat von allem, was er so sagt, auch schon mal das Gegenteil behauptet. Und keiner nimmt es ihm krumm. Denn jeder weiß, dass es mit ihm gerade deswegen nie langweilig wird.

Schmidts Wieder-Heimatsender WDR gratuliert ihm mit einer 90-minütigen Hommage seines Redakteurs Klaus Michael Heinz - nachträglich allerdings, denn "Herr Schmidt wird 50, will aber nicht feiern" läuft aus unerfindlichen Gründen erst kommenden Freitag im Ersten. Zwischen Ausschnitten aus Sendungen bzw. Interviews mit Schmidt bringen Weggefährten aus knapp 20 Fernsehjahren ihm, dem Musikliebhaber und früheren Hilfsorganisten, Ständchen. Herbert Feuerstein, Thomas Gottschalk, Alfred Biolek, Elke Heidenreich u. a. interpretieren Schubert-Lieder und Bach-Konzerte und dergleichen.

Schmidt selbst befindet sich nach eigenen Angaben auf Kreuzfahrt, eine Reiseform, die er durch seinen Gastauftritt auf dem ZDF-Traumschiff für sich entdeckt haben will. Vertreten wird er durch eine Büste mit Lorbeerkranz, vor der sich Gottschalk und Feuerstein nach ihrer Darbietung verneigen. Sie haben Schuberts "Im Abendrot" interpretiert, "zum Abschied Harald Schmidts aus der werberelevanten Zielgruppe".

"Mein inneres Alter ist, glaube ich, immer schon Mitte fünfzig gewesen", sagt Schmidt gleich zu Beginn in einem Interview mit Alfred Biolek. Obwohl die filmische Hommage nicht chronologisch vorgeht, wird schnell deutlich, dass Schmidt immer besser wird, je mehr sich sein äußeres Alter dem inneren annähert. Und das ist nicht allein eine Frage von Routine. Im SWR-"Nachtcafé" erzählt er von seiner Aufnahmeprüfung an der Stuttgarter Schauspielschule: "Ich ging rein mit der Überzeugung, dass man sagt: ,Warum kommen Sie erst jetzt? Wir warten seit Jahrzehnten auf Sie.'" Harald Schmidt ist -so widersinnig das klingt - in seine Hybris hineingewachsen. Eine selbsterfüllende Prophezeiung: Er war schon immer fest davon überzeugt, eine Klasse für sich zu sein - und ist es geworden. Als er 1994 bei "Verstehen Sie Spaß?" mit dem Hubschrauber zum Imbiss vor der Halle flog, um im Pelzmantel eine Pommes rot-weiß zu bestellen, wirkte das plump und größenwahnsinnig; als er 2005 an seinem Studio-Schreibtisch saß und sagte: "Wir im Ersten. Wir im Ersten. Wir, das Erste. Ich!", wirkte das vollkommen normal.

Schmidt hat das deutsche Fernsehen zu seinem Abenteuerspielplatz gemacht: Neben seiner Late-Night-Show und der erfolglosen Neuauflage von "Pssst" hat er in diesem Jahr eine Gastrolle bei "Unser Charly" übernommen und ein paar Minuten lang das "Heute-Journal" moderiert, im vergangenen Jahr die Jubiläumssendung von "Report Mainz", bei "Sabine Christiansen" die ARD mit der Mafia verglichen und in "Olympia mit Waldi & Harry" schon mal für seine Zukunft als Sidekick geprobt. Denn in der ab Herbst einmal wöchentlich ausgestrahlten neuen Sendung "Schmidt & Pocher" wolle er nur noch eine Nebenrolle spielen, hat Schmidt mehrfach betont. "Meine Zielvorstellung: Ed McMahon, Sidekick der US-Talklegende Johnny Carson", sagte er kürzlich im Spiegel. "Eigentlich hatte ich Pocher angeboten, gleich 250 Late-Night-Shows pro Jahr bei einem befreundeten Sender zu machen, von denen ich allenfalls noch 30 als Urlaubsvertretung gestalten würde, so Las-Vegas-mäßig mit weißem Anzug, offenem Hemd und violetter Sonnenbrille."

Mag sein, dass Harald Schmidt das Fernsehen wirklich nicht mehr braucht, aber das Fernsehen braucht ihn - und Oliver Pocher braucht ihn auch.

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