Bremen: "Rot-Grün ist kein Projekt mehr"

Statt um Emotionen geht es im Bündnis mit der SPD nur noch um Schnittmengen, sagt Reinhard Loske. Er soll grüner Umweltsenator in Bremen werden.

"Ich habe auch wertkonservative Gene": Im letzten Jahr hat Reinhard Loske für Schwarz-Grün geworben. Bild: dpa

taz: Herr Loske, heute werden Sie zum Senator in Bremen gewählt. Erstmals seit zwei Jahren sind die Grünen wieder in einer Landesregierung vertreten. Ist das ein Signal für Deutschland?

Reinhard Loske: Von einem Signal würde ich nicht sprechen, aber die Leute schauen auf uns. Bremen war häufiger gut für ein neues Modell. Hier sind die Grünen 1979 zum allerersten Mal in einen Landtag eingezogen.

Aber hat sich Rot-Grün nicht ein wenig abgenutzt?

Wir wollen auch keine Renaissance von Rot-Grün, sondern einen Neustart, die 2.0-Variante.

Wie ist das zu verstehen?

Die rot-grüne Koalition im Bund war emotional sehr aufgeladen. Es ging um solche Fragen, wer Koch und wer Kellner ist. Man lästerte gern übereinander, wie das in schwierigen Beziehungen so üblich ist. Jetzt in Bremen haben wir eine realistischere Einschätzung. Wir nennen es auch nicht mehr ein Projekt, sondern eine Koalition. Wir definieren gemeinsame Schnittmengen.

Heute wird der rot-grüne Senat in Bremen gewählt. Die Grünen stellen zwei der sieben Senatoren. Reinhard Loske wird Bau-, Umwelt- und Europasenator. Als Umwelt-Staatsrätin hat er Cornelia Ziehm berufen, die bisher die Abteilung Verbraucherschutz und Recht bei der Deutschen Umwelthilfe geleitet hat.

Als zweite grüne Senatorin übernimmt Spitzenkandidatin Karoline Linnert das Finanzressort. Bei der Wahl am 13. Mai hatten die Grünen 16,4 Prozent erhalten. Die SPD kam auf 36,8 Prozent, die CDU auf 25,6 Prozent, die Linke auf 8,4 Prozent und die FDP auf 5,9 Prozent. Zuvor hatte zwölf Jahre lang eine große Koalition dort regiert. UH

Zu dieser Schnittmenge gehört aber, dass Sie den Ausbau der Außenweser akzeptieren müssen.

Da geht schon noch was. Wir haben vereinbart, die ökologischen Ausgleichsmaßnahmen großzügiger zu gestalten.

Aber es bleibt beim Ausbau.

Er steht im Bundesverkehrswegeplan in der Kategorie "vordringlicher Bedarf". Ob Geld verfügbar ist, wird man sehen.

Es ist doch Ihr Projekt: Der Bundesverkehrswegeplan wurde im Jahr 2003 von Rot-Grün beschlossen.

Letztlich war es seinerzeit ein Gesamtpaket. Wir konnten aber ökologisch sehr kritische Maßnahmen an Elbe und Donau kippen.

Noch bevor Sie überhaupt Senator werden, droht ein weiterer Konflikt: Die SPD will ein Kohlekraftwerk in Bremen genehmigen. Wie wollen Sie das verhindern?

Im Koalitionsvertrag haben wir ein ergebnisoffenes Prüfverfahren vereinbart. Aber ich möchte nicht das Signal aussenden: Die SPD will investieren - und die Grünen blockieren.

Und wie stellen Sie sich den Ausweg vor?

Wir wollen auch in Energieerzeugung investieren - aber klimaverträglich, beschäftigungsintensiv, dezentral. Also in Kraft-Wärme-Kopplung und erneuerbare Energien.

Trotzdem ist es pikant, dass Sie jetzt einer rot-grünen Regierung angehören.

Wieso?

Sie haben in den letzten Jahren für Schwarz-Grün geworben.

Ich habe auch wertkonservative Gene - im Sinne des Bewahrens von Natur. Zum Beispiel bin ich überzeugter Birdwatcher. Es gibt Themen, da haben wir große Gemeinsamkeiten mit der Union - bei der Mittelstandsorientierung oder Bioethik. Dafür gibt es bei anderen Themen wenig Übereinstimmung, etwa bei Atomenergie und Zuwanderung. Aber den angeblichen Kulturgraben zur Union sehe ich nicht. Irgendwann wird es irgendwo auch eine schwarz-grüne Landesregierung geben.

Und wie sollen sich die Grünen bei der nächsten Bundestagswahl verhalten?

Wir sind bisher mit der Äquidistanz gut gefahren. Aber ich weiß nicht, ob sich das bis zur Bundestagswahl durchhalten lässt. Die Leute wollen Klarheit.

Und für welche Konstellation optieren Sie?

Bisher ist nur Rot-Grün realistisch. Aber das wird wohl nicht reichen.

Es war nicht einfach für Sie in der Bundestagsfraktion. Im März 2006 sind Sie sogar als Vizevorsitzender zurückgetreten, als Sie sich im Streit über das atomare Endlagerkonzept nicht durchsetzen konnten. Sind Sie erleichtert, dass Sie nach Bremen entkommen können?

Nein. Ich übernehme dort eine interessante Aufgabe. Der Streit über das atomare Endlager hatte eine befreiende Wirkung. Damit hörte die Jubelarie auf, wie toll alle rot-grünen Entscheidungen waren.

Trotzdem: Sind Sie froh, die Fraktion zu verlassen?

Nein. Ich habe mich im Bundestag sehr wohl gefühlt. Als ich letzte Woche meine Abschiedsrede gehalten habe, war das auch für mich ein bewegender Moment.

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