Kommentar: Aus Lust an der Attacke

Weniges nimmt der Publizist Henryk M. Broder ernst - nur den Kampf gegen Antisemitismus und für die Liberalität der Gesellschaft. Jetzt wurde ihm der Ludwig-Börne-Preis verliehen. Zu Recht.

Wenn man es vornehm ausdrücken wollte, was in diesem Fall nicht ganz passt, müsste man sagen: Henryk M. Broder ist streitbar. Man liebt ihn oder man hasst ihn - selten ist es etwas dazwischen. Die FAZ hat es einmal auf den Punkt gebracht: "Broder ist ein Rechthaber, der dazu ärgerlicherweise meist recht hat." Am Sonntag erhielt der scharfzüngige Schriftsteller und Publizist den Ludwig-Börne-Preis.

Broder ist ein würdiger Preisträger. Wie Börne ist Broder ein oft brillanter Schriftsteller, vor allem aber ein intelligenter und anregender Journalist, dessen Polemiken und Essays funkeln vor Intelligenz und Witz. Und so wie sich Börne mit Freuden Feinde machte und Autoritäten - Goethe etwa - liebend gern angriff, so merkt man Broder in seinen Texten den Spaß an der Provokation, die Lust an der Attacke an. Durch Broder unter Beschuss zu geraten, tut ziemlich weh - und soll es auch. Die Angegriffenen dürften sich dann falsch verstanden und unfair behandelt vorkommen. Am Ende aber ist es eher eine Auszeichnung, als Zielobjekt von Broders spitzer Feder herhalten zu müssen: Immerhin, er nimmt einen ernst - zumindest einigermaßen.

Denn so richtig ernst nimmt Broder eigentlich gar nichts. Mit einer Ausnahme: den Kampf gegen Antisemitismus. Broders Buch "Der ewige Antisemit", vor 20 Jahren erschienen und vor zwei Jahren aufgrund der Brillanz der Analyse und der unveränderten Aktualität des Themas wieder aufgelegt, kündet davon. Es ist eine geistreiche, scharfe und dazu noch oft witzige Analyse - vor allem der Lebenslüge der Linken, die glauben, dass es in ihren Reihen gar keinen Antisemitismus geben kann. Beispielhaft sei nur dieser Satz zitiert, der typisch ist für Broders Courage: "Daran freilich, dass Marx ein authentischer Antisemit war, kann es keinen Zweifel geben. Dass er selber Jude bzw. 'jüdischer Abstammung' war, ist so irrelevant wie der nur auf den ersten Blick irritierende Umstand, dass es auch antifeministische Frauen und Schwule gibt, die mit Begeisterung gegen Homosexuelle hetzen."

Angesichts der Schärfe seiner Polemiken mag es überraschen, dass Henryk M. Broder im persönlichen Gespräch ein eher zurückhaltender, höflicher und meist sehr freundlicher Mann ist, der gut zuhören kann. Wie gut für diese Republik aber, dass er diese Zurückhaltung und Höflichkeit ablegt, wenn es für ihn um Wesentliches geht: die Liberalität der deutschen Gesellschaft. Da packt ihn der heilige Zorn. Und dafür sollten wir ihm dankbar sein.

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