Gentechnik: BASF-Kartoffel schon im Einsatz?

Die EU-Umweltminister streiten noch, ob die Gentech-Kartoffel kommerziell angebaut werden darf. In Deutschland steckt sie bereits in der Erde, kritisieren Umweltschützer.

Für experimentelle Freisetzung gibt es keine Flächenbegrenzung. So kann es die BASF-Kartoffel Amflora schon jetzt auf die Felder geschafft haben. Bild: dpa

BERLIN taz | Für die Umweltminister der EU ist es in Luxemburg eine Premiere. Sie sollen darüber abstimmen, ob die vom Chemiekonzern BASF entwickelte Gentech-Kartoffel Amflora kommerziell angebaut werden darf - doch in Deutschland hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) den großflächigen Anbau schon genehmigt.

Möglich wurde dieser paradoxe und bisher einmalige Vorgang durch eine Lücke im Gentechnikgesetz, moniert der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). "Das Gentechnikgesetz unterscheidet nicht eindeutig zwischen wissenschaftlichen Freisetzungen und dem kommerziellen Anbau", erklärte der agrarpolitische Sprecher Hubert Weiger. So gebe es für experimentelle Freisetzungen keine Flächenbegrenzungen.

Diese Lücke hat BASF genutzt, um seine Amflora-Knollen auch ohne EU-Zulassung in die Erde zu bringen. Vor über vier Jahren schon hatte das Chemie-Unternehmen eine europaweite Zulassung für den Amflora-Anbau und die Verarbeitung zu Industriestärke beantragt. Die Gentech-Kartoffeln sind so verändert worden, dass sie nur eine Stärkesorte enthalten, die vor allem bei der Herstellung von Papier oder Textilien genutzt wird.

Als im vergangenen Jahr abzusehen war, dass es mit der EU-Zulassung Schwierigkeiten geben wird, hat BASF in Deutschland einfach einen Antrag für einen großflächigen Freisetzungsversuch nachgereicht. Ausschlaggebend war, dass Freisetzungsversuche im Unterschied zum kommerziellen Anbau nur von der nationalen Behörde, in diesem Fall dem BVL, bewilligt werden müssen.

Obwohl BASF in dem Antrag als Ziel der Freisetzung ausdrücklich die Herstellung von Saatgut sowie die Verarbeitung zu Industriestärke aufführte, genehmigte das BVL Ende April die Amflora-Freisetzung auf den beantragten Flächen. Die Nutzung der für den Herbst erwarteten Ernte als Saatgut beziehungsweise zur Stärkeproduktion sollte erst erfolgen, wenn die EU-Zulassung vorliegt. BASF ging davon aus, dass diese noch rechtzeitig erteilt wird.

Der BUND forderte Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) auf, beim Umweltministerrat gegen die Zulassung zu stimmen. Die Umweltschützer kritisieren die Amflora-Freisetzungen unter anderem, weil die Gentech-Kartoffel ein Resistenzgen gegen eine ganze Reihe von auch in der Humanmedizin eingesetzten Antibiotika besitzt. "Wenn dieses Gen auf bakterielle Krankheitserreger übertragen wird, besteht die Gefahr, dass diese Antibiotika dann nutzlos sind", erklärte Heike Moldenhauer, Gentechnik-Expertin des BUND. Darunter sind auch einige, die als wichtige Notfallmedikamente eingesetzt werden, wenn andere Antibiotika nicht mehr helfen.

Diese Befürchtung, die auch von der Europäischen Arzneimittelagentur in einem Gutachten formuliert wurde, war auch der Grund dafür, dass die EU-Zulassung für Amflora noch nicht vorliegt. Ob die Umweltminister diese Bedenken ernst nehmen, wird sich heute zeigen. Das BVL jedenfalls hatte sich mit seiner Entscheidung darüber hinweggesetzt und vorab Fakten geschaffen.

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