Kommentar: Türkische Verbände in der Schmollecke

Die türkischen Verbände haben Recht, wenn sie das neue Zuwanderungsrecht kritisieren. Am Integrationsgipfel nicht teilzunehmen wäre trotzdem ein Fehler.

Mit ihrer Drohung, dem Integrationsgifel am Donnerstag fern zu bleiben, haben sich die türkischen Verbände in eine Sackgasse manövriert. Nun stehen sie als bockige Verweigerer dar, die sich in die Schmollecke zurückziehen, wenn ihre Forderungen nicht erfüllt werden - zumal die meisten Deutschen nicht recht verstehen dürften, worum es eigentlich geht.

Dabei ist die Kritik der türkischen Verbände am neuen Zuwanderungsrecht durchaus verständlich. Welche Gruppe würde denn nicht protestieren, wenn schärfere Gesetze zu ihren Lasten beschlossen werden? Mit ihrer "Reform" hat die Bundesregierung nicht nur die Einbürgerung von Migranten, sondern auch den Nachzug von Ehegatten aus bestimmten Ländern erschwert: Künftig muß eine türkische Anaphabetin Deutschkenntnisse nachweisen, wenn sie zu ihrem Ehepartner nach Deutschland ziehen möchte, eine Amerikanerin oder ein Japaner aber nicht: das ist eine bewusste Ungleichbehandlung.

Begründet werden die Verschärfungen offiziell, damit sollten "Zwangsehen" unterbunden werden. Doch das ist nur ein Vorwand, um jedweden Familiennachzug aus Ländern wie der Türkei zu erschweren, und vor allem jede weitere Zuwanderung aus unteren sozialen Schichten. Die türkischen Verbände empfinden das als diskriminierend, doch ihre lautstarken Proteste wurden schlicht überhört. Der Fall zeigt deutlich, was die Bundesregierung unter Integration versteht: Der deutsche Staat verordnet Gesetze, die Einwanderer müssen sich fügen.

Doch immerhin hat die Bundesregierung auch angekündigt, am Donnerstag ihren "Nationalen Integrationsplan" vorzustellen, mit dem sich Bund, Länder und Kommunen verpflichten, die Eingliederung von Migranten zu verbessern. Wie dringend das nötig ist, zeigt eine aktuelle OECD-Studie, die belegt, wie sehr Migranten auf dem deutschem Arbeitsmarkt diskriminiert werden. Was das Zuwanderungsrecht angeht, so wird den türkischen Verbänden nichts anderes übrig bleiben, als die Verschärfungen hinzunehmen. Der Integrationsgipfel aber bietet noch immer die Chance, auf echte Verbesserungen für Migranten in Deutschland zu drängen.

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Daniel Bax ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz. Er schreibt über Innen- und Außenpolitik in Deutschland, über die Linkspartei und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW). 2015 erschien sein Buch “Angst ums Abendland” über antimuslimischen Rassismus. 2018 veröffentlichte er das Buch “Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind.”

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