Filz-Affäre: "De Maizière hat die Verfassung missachtet"

in der Filz-Affäre in Sachsen verweist der Datenschutzbeauftragte Schurig darauf, dass der Geheimdienst einen Großteil der Akten illegal gesammelt hat.

Der sächsische Datenschutzbeauftragte Andreas Schurig Bild: Sächsischer Landtag

taz: Herr Schurig, Sachsens Verfassungsschutz hat seine Unterlagen über kriminelle Netzwerke in dem Land jetzt der Staatsanwaltschaft Dresden zur Verfügung gestellt. Sind diese Akten gerichtsverwertbar?

Andreas Schurig: Es gibt Gründe, die dem entgegenstehen, so wurden diese Unterlagen zumindest teilweise rechtswidrig zusammengetragen. Sie müssten eigentlich dem Archiv angeboten, und falls dieses sie nicht will, vernichtet werden.

Vielen gelten Sie als weltfremd oder als Vertuscher.

Ich versuche durchzusetzen, dass ein Urteil des sächsischen Verfassungsgerichts vom Juli 2005 ernst genommen wird, was ja in einem Rechtsstaat selbstverständlich sein sollte. Das Urteil hat dem Verfassungsschutz untersagt, die "normale" organisierte Kriminalität weiter zu beobachten, denn das sei Aufgabe der Polizei. Dieses Urteil haben der Verfassungsschutz und das sächsische Innenministerium aber missachtet und ein Jahr lang weitergemacht wie zuvor.

Aber muss man die Daten gleich löschen? Es geht möglicherweise um die Verquickung von Staat und Kriminellen.

Ich kenne zwar die Akten, darf aber zum Inhalt nichts sagen, weil sie immer noch geheim sind. Das ist misslich, weil jetzt jeder spekulieren kann, wie er will. Aber unabhängig vom Inhalt dürfen illegal erlangte Informationen nun mal nicht weiter verwendet werden. Außerdem hat der Verfassungsschutz nicht das Ziel, belastbare Informationen für ein Gerichtsverfahren zu sammeln, sondern setzt schon viel früher an - etwa bei bloßen Gerüchten, die für die Betroffenen aber persönlich und politisch sehr schädlich sein können.

Geht es nach Ihnen, dürften alle Unterlagen über die organisierte Kriminalität, die der Verfassungsschutz gesammelt hat, nicht verwertet werden?

Nein, nur die Informationen, die nach dem Urteil des Verfassungsgerichts rechtswidrig gesammelt wurden. Bis dahin konnte der Verfassungsschutz ja von einer Rechtsgrundlage ausgehen. Diese Differenzierung ist in der Öffentlichkeit leider untergegangen. Aber es betrifft immer noch einen relevanten Teil der Unterlagen.

Und was passiert nun, wenn diese Akten in einem Gerichtsverfahren verwendet werden?

Das jeweilige Gericht muss jetzt prüfen, ob es die Informationen überhaupt verwenden kann. Aber ich bezweifle mittlerweile schon, dass überhaupt viel vor Gericht landen wird.

Warum?

Wie man hört, beruhen die in den Medien erwähnten Vorwürfe ja zum großen Teil auf Manipulationen im Verfassungsschutz selbst. Ein Kommissar soll als unabhängige Quelle zur Bestätigung von Polizeiberichten angeführt worden sein, die er selbst geschrieben hatte. Das relativiert natürlich den Wert der Informationen stark.

Als der Verfassungsschutz neulich "aus Versehen" alte Gerichtsakten zur organisierten Kriminalität vernichtete, haben Sie protestiert. Sind Sie jetzt für oder gegen die Vernichtung der Akten?

Ich bin für einen gesetzeskonformen Umgang mit den Akten. Es geht natürlich nicht, dass der Verfassungsschutz mitten in der Prüfung der Vorgänge eigenmächtig Akten vernichtet, die zu den Vorgängen gehören.

Sachsens Regierung werfen Sie aber eher vor, dass sie die Akten nicht vernichten ließ.

Der Landesregierung, vor allem dem damaligen Innenminister Thomas de Maizière, werfe ich vor, dass er das Urteil des Verfassungsgerichts missachtet hat. Und selbst wenn er das aus lauteren Gründen getan haben mag, so hätte er über die Weiterbeobachtung der OK doch die Parlamentarische Kontrollkommission unterrichten müssen.

Wie bewerten Sie das Verhalten der Linken, die erst gegen die OK-Beobachtung klagt und jetzt doch die illegal erlangten Informationen nutzen will?

Es gehört nicht zu meiner Aufgabe, Abgeordnete zu kontrollieren oder zu bewerten. Diese Frage lasse ich deshalb so im Raum stehen.

Es soll einen Sicherheitsvermerk des Verfassungsschutzes über Sie geben.

Ja, das ist ein Skandal im Skandal. Den Vermerk hat ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes während meiner Kontrolle geschrieben. Ich selbst habe erst später davon erfahren. Schon die Leitung des Verfassungsschutzamtes hat den Vermerk aber für gegenstandslos erklärt, und auch die Parlamentarische Kontrollkommission hat keine Belege für eine angebliche Befangenheit gefunden.

Was stand in dem Vermerk?

Das darf ich leider auch nicht sagen. Vielleicht bringt ja der Untersuchungsausschuss etwas mehr Klarheit in dieser Frage.

INTERVIEW: CHRISTIAN RATH

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