Hype 2.0: Nach der Blase ist vor der Blase

Im Silicon Valley ist der Hype um das Web 2.0 voll ausgebrochen. Hunderte Start-ups streiten sich um Risikokapital - denn längst wieder werfen die Investoren mit Millionen um sich.

Teppich ins Glück: Der vermutlich nächste Web2.0-Hype-Zilliardär, Facebookgründer Mark Zuckerberg, in seinem Büro in Palo Alto. Bild: ap

BERLIN taz Mancher wird sich noch schmerzlich erinnern: Vor knapp siebeneinhalb Jahren, im April 2000, leitete ein großer Crash an der US-Technologiebörse NASDAQ den Anfang vom Ende der so genannten "New Economy" ein. Internetfirmen mit zweifelhaften Geschäftsmodellen gingen in die Pleite, die reihenweise auch in Europa an die Aktienmärkte gegangen waren, ohne je einen Gewinn geschrieben zu haben. Millionen von Kleinaktionären verloren ihr Erspartes oder Ererbtes, weil sie es in Aktien angelegt hatten. Junge, hippe Internetpioniere waren plötzlich arbeitslos - und keiner wollte sie mehr einstellen.

Die schlechten Zeiten sind längst vergessen und der Begriff, unter dem erneut eine goldene Zukunft versprochen wird, heißt nun "Web 2.0". Das neue, wirklich interaktive Internet also - mit populären Weblogs, viel besuchten sozialen Netzwerken und milliardenschweren Online-Konzernen wie Google. Längst haben die Firmen bewiesen, dass man inzwischen gutes Geld im Web verdienen kann. Viele neue Online-Firmen stützen sich zudem auf kostengünstige Open-Source-Technologie und bauen ihr Geschäft Schritt für Schritt auf anstatt gleich Millionen zu investieren.

Und plötzlich sind da doch wieder diese Projekte der Sorte: ein Mensch mit einer Idee - überschüttet mit Risikokapital. Wieder droht eine Überhitzung.

Am besten zu sehen ist das aktuell im Silicon Valley, dem ewigen Indikator für die Zukunft des IT-Geschäfts: In San Francisco und San Diego tagten im Abstand von einer Woche zwei große Start-up-Konferenzen, auf denen sich über 100 verschiedene Firmen vor Hunderten Zuschauern aus Investorenkreisen präsentieren - für einen Eintritt von mehreren tausend Dollar. Gute Programmierer sind kaum noch zu finden und das Branchen-Gossip-Weblog "Valleywag" schreibt ironisch, dass es auf High-Tech-Branchentreffen seit dem Jahr 2000 nicht mehr so viele verschiedene Käsesorten gegeben habe: "Das Käsebarometer sagt, dass man jetzt loslegen sollte, bevor die Chancen überreif sind."

Der Grund: Viele der Start-ups, die beispielsweise in dieser Woche auf der "DEMO"-Konferenz in San Francisco präsentierten, favorisieren recht wackelige Geschäftsmodelle. Da wird hauptsächlich auf den Verkauf von Werbeflächen gesetzt - was schon beim vergangenen Hype zum Zusammenbruch führte. So gab es Unternehmen wie das israelisch-amerikanische Start-up "Pudding Media" zu sehen, dass seiner Kundschaft kostenlose Internet-Telefonate ermöglichen will, wenn sie sich dazu passende Werbung ansehen, die der Rechner per Spracherkennung auswählt. Neugründungen wie "DimDim" versuchen, Web-Konferenz-Dienste, die man zuvor für teures Geld bezahlen musste, dank Reklameeinblendungen gratis anzubieten.

Die Risikokapitalisten haben jedenfalls wieder viel Geld in der Tasche: So wurde in dieser Woche bekannt, dass diverse bekannte Silicon-Valley-Finanziers 1,5 Millionen Dollar in ein Start-up stecken wollen, das bei dem populären sozialen Netzwerk Facebook eine virtuelle Währung einführen will. Die Idee ist uralt - und war schon zu Dotcom-Zeiten gleich mehrfach grandios gescheitert.

Der neue Hype begann im Herbst 2006. Damals übernahm Google den Videodienst YouTube für spektakuläre 1,7 Milliarden Dollar - natürlich in Aktien, ganz im alten Blasenstil. Das ist recht viel für ein Unternehmen, das zwar Millionen Besucher anzieht, aber auch enorm hohe Bandbreitenkosten hat und zunächst keine großen Einnahmeströme erwarten ließ.

Trotzdem ziehen die Preise weiter an: Die Google-Aktie steht bei einem Allzeithoch und das Wall Street Journal berichtet, Microsoft wolle sich am populären Social-Networking-Anbieter Facebook beteiligen - zu einem Kurs, der das Start-up auf 10 bis 15 Milliarden Dollar bewerten würde. Und das bei gerade mal 100 Millionen Dollar Werbeumsatz (Schätzung für 2006). Ein enorm schlechtes Kurs-Gewinn-Verhältnis, das selbst Valley-Insider nervös macht.

Immerhin: Noch müssen Investoren den Boom nicht fürchten. Zwar bauen sich bei den bereits an den Märkten gelisteten Internet-Firmen erste Blasenhaftigkeiten auf (siehe Google), doch neue Börsengänge gibt es bislang kaum. Der Grund: Der US-Gesetzgeber hat die Bedingungen, unter denen man an NASDAQ und Co. Geld einsammeln kann, in Reaktion auf den Crash der "New Economy" deutlich verschärft. Geld wird vor allem mit Verkäufen gemacht - etwa an Google, aber, wie beispielsweise in Deutschland, auch an große Verlage, die beim Web 2.0-Hype mitmischen wollen.

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