Frankreich : Au revoir, chéri!

Ségolène Royal wird die Trennung von Sozialisten-Chef Hollande nicht schaden. Ihre Offenheit erhöht ihre Chancen auf den Parteivorsitz.

Vor kurzem noch ein Paar: Ségolène Royal und Francois Hollande Bild: dpa

Paris taz "C'est privé", sagt Ségolène Royal, als sie Sonntag Abend, wenige Minuten nach der Veröffentlichung des Ergebnisses der französischen Parlamentswahlen, von JournalistInnen bedrängt wird, ihre Trennung von PS-Chef François Hollande zu erklären - das ist Privatsache. Dann steigt sie in eine wartende Limousine. Zurück bleibt ihre wortkarge Bestätigung, dass die Beziehung zuende sei. Hollande bestätigt ebenfalls und versichert, das habe keinerlei politische Bedeutung. Am Morgen danach strahlt der Radiosender "France Inter" ein Interview aus. "Ich habe François gebeten, unser gemeinsames Domizil zu verlassen und seine Liebesgeschichte zu leben", erklärt die derzeit prominenteste französische Single. Es ist ein selten intimes Dokument zur besten politischen Sendezeit, unterbrochen von ehrlich klingenden Seufzern der Interviewten.

Die 53jährige Royal und der 52jährige Hollande waren jahrzehntelang ein vielfach kommentiertes Polit-Paar auf der Pariser Bühne. Zuletzt spielte sie die Rolle der Präsidentschaftskandidatin der PS. Er war gleichzeitig - wie schon seit 1997 - Parteichef der PS. Sie strahlt asketische Strenge aus. Er rundliches Genießertum. Die beiden lernten sich Ende der 70er Jahre auf der ENA kennen, der Schule für die französische Verwaltungselite. Bekamen gemeinsam vier Kinder. Beide begannen ihre Karrieren als BeraterInnen im Schatten von François Mitterrand, fanden als "Fallschirmspringer" aus Paris Wahlkreise in der Provinz und kehrten als Abgeordnete zurück in das Pariser Parlament. Sie hatte mehrfach Ministerinnenposten. Er wurde - unter Jospin - der wichtigste Macher der Sozialistischen Partei. Sie eroberte als Regionalpräsidentin das westfranzösische Poitou-Charentes. Er ist Bürgermeister in der Provinzstadt Tulle.

"Ein Paar - zwei Freiheiten", so lautet ein Motto über die private und politische Vita der beiden, das in den vergangenen Jahren oft in den Medien reproduziert worden ist. Es gefiel wohl beiden. Und es war auch dazu angetan, die Gerüchte über berufliche Konkurrenzkämpfe zwischen ihnen vergessen zu machen. Schließlich war auch PS-Chef Hollande Royal dereinst im Gespräch, Präsidentschaftskandidat der Partei zu werden. Und schließlich ist jetzt sie als seine Nachfolgerin an der Parteispitze im Gespräch.

Auch Gerüchte über private Probleme zwischen Royal und Hollande machten immer wieder die Runde. Im Präsidentschaftswahlkampf fiel auf, wie selten Hollande an der Seite von Royal zu sehen war. Es wurde bekannt, dass der Parteichef Besuchsverbot in ihrem Wahlkampfhauptquartier hatte. Und es verlautete, dass die Präsidentschaftskandidatin von ihren engen MitarbeiterInnen verlangte, dass sie sich beruflich zwischen ihr und ihm entscheiden müssten. Zuletzt wunderten sich BeobachterInnen darüber, dass die beiden sich auf einem Meeting per Handschlag, statt per Küsschen begrüßten. Aber zugleich war da die - von beiden Seiten bestätigte - Überlegung, ihre langjährige Beziehung ohne Trauschein mithilfe einer fotogenen Hochzeit in der Südsee zu verändern. Daraus wurde nichts. Zugleich wurden die Gerüchte über die Trennung von Tisch und Bett bei Royal und Hollande und über ihre angeblichen neuen Liaisons wieder leiser. Natürlich schrieb niemand etwas darüber. PolitikerInnen haben eben Affairen. Das ist Privatsache.

Die Regel von dem geschützten Privatleben gilt sowohl rechts als auch links. Die weitestgehenden Vorstöße gegen diese alte Regel wagte bislang Nicolas Sarkozy. Nachdem einer Eskapade seiner Frau mit einem anderen Mann erklärte der damalige Präsidentschaftskandidat: "Unser Paar hat Probleme gehabt, wie viele Paare." Dieselbe Formel hat gestern morgen im Radio Ségolène Royal wiederholt. Mit dem kleinen Unterschied, dass ihr Paar-Problem zur Trennung geführt hat. Sie ist die erste französische SpitzenpolitikerIn, die einen derartigen öffentlichen Balanceakt zwischen Politik und Privatleben wagt. Am Ende der laufenden Kampagnen ist diese Wahrheitsübung für sie zugleich eine Vorbereitung für kommende Kampagnen. Sie will nicht nur im nächsten Jahr Parteichefin werden. Sondern strebt wohl auch eine neue Präsidentschaftskandidatur im Jahr 2012 an.

In der französischen Öffentlichkeit findet die Trennungsnachricht ein geteiltes Echo - so wie gestern Vormittag am Zeitungskiosk im Pariser Osten. Eine alte Dame nennt die Enthüllung für "schlechten Geschmack". Die PS-Wählerin findet, dass das Privatleben niemanden etwas angeht. "So ist Ségolène", hält eine junge Frau, ebenfalls PS-Wählerin, lachend dagegen, "sie wirft lauter Konventionen um."

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