Neue Gesundheitskarte: "Der Patient ist Herr seiner Daten"

Datenschutzrechtlich ist bei der neuen Gesundheitskarte alles in Ordnung, meint Datenschützer Thilo Weichert.

taz: Herr Weichert, mit Hilfe der elektronischen Gesundheitskarte sollen künftig höchst sensible Patientendaten der gesamten Bevölkerung elektronisch gespeichert werden. Warum schreit keiner der hauptberuflichen Datenschützer auf?

Thilo Weichert: Die Daten sollen in einem elektronischen Postfach gespeichert werden, zu dem nur der Patient einen Schlüssel hat und das damit voll unter seiner Obhut steht. Wenn die Verfügung über diese Daten wie geplant beim Patienten bleibt, dann ist die elektronische Gesundheitskarte aus Datenschutzsicht völlig in Ordnung. In den technischen Details muss das allerdings noch sichergestellt werden.

Thilo Weichert (51) ist seit 2004 Datenschutzbeauftragter in Schleswig-Holstein. Er beriet das Bürgerkomitee zur Auflösung der Staatssicherheit.

Die Bürgerrechtler vom Komitee für Grundrechte und Demokratie fürchten aber, dass der Patient die Kontrolle über seine Daten verliert.

Das Komitee hat nicht das Technikvertrauen, das man heute haben muss und haben kann. Die Kritik des Komitees richtet sich aber gar nicht so sehr gegen die Gesundheitskarte selbst, bei der es um die Kommunikation zwischen Patient und Arzt geht, sondern gegen den Datenhunger Dritter. Diese haben aber keinen Zugriff auf die Daten.

Nach derzeitigen Plänen nicht. Aber wenn Daten verfügbar sind, wecken sie Begehrlichkeiten. Die Krankenkassen könnten sie zum Beispiel gewinnträchtig für den Ausschluss von Risiken nutzen.

Deshalb muss bei der technischen Umsetzung gewährleistet werden, dass ein solcher Zugriff nicht möglich ist. Das soll durch das Postfachverfahren und durch Verschlüsselungen geschehen. Wenn das der Fall ist, und danach sieht es aus, sind die Befürchtungen unbegründet.

Nach einer Gesetzesänderung wäre ein solcher Zugriff aber möglich.

Dieses Risiko reicht aber nicht aus, um ein sinnvolles Projekt zu verdammen.

Bei "Toll Collect" kamen diese Begehrlichkeiten schnell. Kaum war das Lkw-Maut-System in Betrieb, forderten Innenpolitiker, die erhobenen Daten auch zur Verbrechensbekämpfung zu nutzen.

Es gibt einen großen Unterschied zwischen Toll Collect und der elektronischen Gesundheitskarte: Die technische Verfügbarkeit der Daten liegt in einem Fall bei einer Behörde, im anderen aber ausschließlich beim Patienten.

Der Patient soll frei entscheiden können, ob er sensible Daten aus seiner Krankenakte über die Karte speichern lässt. Bekanntermaßen haben die Ärzte aber einen großen Einfluss auf Patientenentscheidungen, und Krankenkassen versuchen, diese mit finanziellen Anreizen zu beeinflussen.

Die Speicherung der Patientenakte ist laut Gesetz freiwillig, aber natürlich wird über direktive Beratung dem Patienten das eine oder andere aufgeschwatzt werden. Aber jede Einwilligung kann jederzeit widerrufen werden. Langfristig besteht nicht die Gefahr, dass der Patient entmündigt wird.

Der Chaos Computer Club sagt, ein Angriff auf die Daten wäre möglich. Besteht also die Gefahr, dass Krankengeschichten plötzlich frei zugänglich im Internet zu lesen sind?

Diese Gefahr gibt es bei jeder elektronischen Datenspeicherung. Geheimnisse des Bundesnachrichtendienstes oder des Kanzleramtes sind genauso gefährdet wie Patientendaten. Eine absolute Sicherheit gibt es nicht. Wenn wir aber den Weg der Automation gehen wollen, und vieles spricht dafür, dann muss man dieses Risiko eingehen.

INTERVIEW: SABINE AM ORDE

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