„Humanitäre Mission“

Um Ingrid Betancourts Befreiung zu ermöglichen, setzt Kolumbien Militäraktionen gegen die Guerilla aus

PORTO ALEGRE taz ■ Kolumbiens Präsident Álvaro Uribe hat einem französischen Rettungsversuch für die offenbar schwer kranke Politikerin Ingrid Betancourt zugestimmt, die sich seit über fünf Jahren in Gefangenschaft der Farc-Guerilla befindet. Am Dienstag erklärte sich Uribe nach einem Anruf seines Kollegen Nicolas Sarkozy dazu bereit, militärische Aktionen auszusetzen, damit eine „humanitäre Mission“ Frankreichs Betancourt und andere Farc-Geiseln im kolumbianischen Urwald in Empfang nehmen könne. Die Rettungsaktion müsse „so schnell wie möglich beginnen“, sagte der französische Außenminister Bernard Kouchner am Mittwoch.

Der Élyséepalast teilte mit, Sarkozy habe mit Uribe und dem venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez telefoniert. Unklar blieb, ob es wieder direkte Kontakte zwischen Paris und den „Revolutionären Streitkräften Kolumbiens“ (Farc) gibt, die die kolumbianisch-französische Politikerin im Februar 2002 verschleppt hatten. Raúl Reyes, die bisherige Nummer 2 der Farc und zuständig für diese Verhandlungen, war Anfang März bei einem Angriff auf ein Farc-Lager getötet worden.

Am Dienstag hatte sich Sarkozy wie schon im letzten Dezember in einer kurzen TV-Ansprache direkt an Farc-Chef Manuel Marulanda gewandt: „Sie haben ein Stelldichein mit der Geschichte“, sagte der Präsident. „Lassen Sie Ingrid Betancourt und die am meisten geschwächten Geiseln frei. Wenn Sie die Chance verpassen, die sich jetzt bietet, wäre dies ein politischer Fehler, eine menschliche Tragödie, ein Verbrechen.“ Die Farc fordert als Vorbedingung für einen Gefangenenaustausch eine zeitlich begrenzte Entmilitarisierung zweier ländlicher Gemeinden nördlich von Cali – was Uribe strikt ablehnt.

Unterdesssen nehmen die bilateralen Spannungen zwischen Ecuador und Kolumbien wieder zu. Nach jahrelangen vergeblichen Protesten gegen das Besprühen von Kokaplantagen im Grenzgebiet habe man sich „als letztes Mittel“ entschlossen, Bogotá vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu verklagen, sagte Ecuadors Außenministerin María Isabel Salvador.

Im Rahmen des von den USA ausgerufenen „Antidrogenkriegs“ lässt die kolumbianische Regierung jedes Jahr große Kokaanbauflächen von Flugzeugen aus mit Pflanzengift besprühen. Dabei werden Menschen, andere Felder und Flüsse in Mitleidenschaft gezogen. GERHARD DILGER