In Brasilien heftig diskutiert: Der Bad Lieutenant von Rio

Polizisten, die foltern, Drogendealer, die ihre Feinde anzünden: "Tropa de Elite" von José Padilha (Wettbewerb) trat eine mächtige Kontroverse los, als er im vergangenen Jahr in Brasilien anlief.

Szene aus dem Film "Tropa de Elite" Bild: dpa

"Tropa de Elite" von José Padilha spielt in den Favelas von Rio de Janeiro. Es geht um den Krieg zwischen Drogenbossen und Militärpolizei; die Perspektive von Polizeioffizier Capitão Nascimento (Walter Moura) ist bestimmend. Nascimento will wegen heftiger Panikattacken den Dienst quittieren, muss aber bleiben, bis ein Ersatz für ihn gefunden ist. Er gehört zur BOPE, der Eliteeinheit der brasilianischen Militärpolizei in Rio de Janeiro. Padilha zeigt sie zwar als unbestechlich, doch zugleich sind ihre Methoden fragwürdig, da sie Folter einsetzt.

Bevor der Film auf dem Filmfest in Rio de Janeiro 2007 gezeigt wurde, hatten über 3 Millionen Zuschauer eine Raubkopie gesehen - eine unfertige Fassung. Täglich werden bis zu 5.000 illegale Kopien in Rio de Janeiro verkauft, 76 Internetportale bieten "Tropa de Elite" an. Die Kinofassung haben bislang etwa 2,5 Millionen Zuschauer gesehen.

In Brasilien entfachte "Tropa de Elite" heftige Diskussionen. Am Tag des Kinostarts, dem 12. Oktober 2007, verblasste die aktuelle Fernsehnachricht über die Verhaftung von 58 Polizisten im Norden von Rio de Janeiro wegen Korruption, Bandenbildung und Verwicklung in den Drogenhandel gegenüber diesem Film, obwohl dessen Ereignisse im Jahr 1997 spielen.

In "Tropa de Elite" hat der Krieg die gesamte Gesellschaft erfasst. Da die Kamera der Sicht von Capitão Beto Nascimento folgt, kann sich der Zuschauer mit der Figur identifizieren. Arnaldo Jabor, der Kommentator des Fernsehsenders "TV-Globo", sieht in dem Offizier ein falsches Versprechen verkörpert - dem Zuschauer werde das Gefühl gegeben, etwas würde zu seinem Schutz getan. Es ist die Illusion, dass jemand im Staat noch eine Haltung für etwas bezieht. Darin wurzele der Erfolg des Films.

Dabei verhält es sich eher so, dass der Regisseur mit dem Zuschauer spielt: Er zeigt einen Protagonisten, an dem der Zuschauer durch die Erzähltechnik klebt, mit dem er sich aber nicht identifizieren mag. Für Ruy Gardinier von dem Filmkritik-Internetportal "Contracampo" ist der Film nicht engagiertes Kino, sondern Kino, das engagiert, weil keine abgeschlossenen Diskurse geliefert würden. Er erklärt, dass es im Gegensatz zu Fernando Meirelles Spielfilm "City of God" in "Tropa de Elite" keinen freundlichen Erzähler gibt, der dem Zuschauer in der Welt des Schreckens zur Seite steht. Vielmehr stellt Padilha die Frage: Bis zu welchem Punkt ist Capitão Nascimento ein Held? Bis wohin kann man mit ihm gehen?

Der Film provoziert mit seinem Realismus: Wenn Drogenbosse ihre Gegner auf Scheiterhaufen aus Gummireifen verbrennen, erzürnt sich die brasilianische Mittelschicht und quittiert die Foltermethoden der BOPE mit Applaus. Umfragen der Zeitschrift Veja ergeben, dass 51 Prozent der Bevölkerung Folter ablehnen, 47 Prozent dafür sind, sofern sie einem "guten" Zweck dient. Titelseiten von Magazinen wie Carta Capital brachten Schlagzeilen wie "Capitão Nascimento - der neue Held".

Die Bewohner der Favelas in Rio de Janeiro ihrerseits identifizieren sich mit der "realistischen" Darstellung ihres Alltags. Sie bringen ihre Kritik an den brutalen Einsätzen der Militärpolizei und der BOPE zum Ausdruck, denn ein Drogenboss, der seine Favela im Griff hat, gilt ihnen schon mal als "guter Junge", selbst wenn er aus illegalen Geschäften sein Geld bezieht.

Die widersprüchliche Rezeption des Films in Brasilien lässt viele Fragen offen. Die Machart des Films - die instabile Kamera, die Montage von Daniel Rezende, die Funkmusik und der Hardrock von Bands wie Tihuana und O Rappa - macht ihn sehenswert. Es ist keine Glorifizierung eines Polizisten, sondern seine Demontage.

"Tropa de Elite". Regie: José Padilha. Mit Wagner Moura, Caio Junqueira u. a., Brasilien 2007, 118 Min. 11. 2., 16 Uhr Berlinale-Palast, 12. 2., 9.30 Uhr Urania, 12. 2., 20 Uhr International, 12. 2., 23.30 Uhr Urania

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