Wenn TVler zu Printlern werden: Im Bilde bleiben

FernsehjournalistInnen werden von Printmedien abgeworben. Und das heute, da die große Herausforderung für Verlage das Internet ist.

Einprägsame Marke - das Gesicht von Claus Kleber. Bild: dpa

Vor 20 Jahren präsentierte der Stern eine eher ungewöhnliche Fotoausstellung. Sie hieß "Pictures in our minds" - und zeigte kein einziges Foto. Sie zeigte nur Texte, in denen die nicht gezeigten Bilder - 40 bekannte Pressefotos - beschrieben wurden.

"Es ging darum, zu zeigen, dass Bilder nicht nur im Moment der Betrachtung existent sind", schrieb die Kommunikationswissenschaftlerin Miriam Meckel 2001 in einem Buchbeitrag. Bilder seien wie Anker, schrieb sie. "Ein Bild kann ein ganzes Themenfeld, eine historische Zeitspanne, einen politischen Prozess repräsentieren."

Oder ein Printmedium.

Dass allein letzte Woche zwei Printmagazine - Emma und Spiegel - mit der Meldung für Aufmerksamkeit sorgten, ihre neuen ChefredakteurInnen kämen vom Fernsehen, hat auch damit zu tun. Man kennt ihre Gesichter. Sie haben im Fernsehen funktioniert, sind umweht vom Geist des Kaviar-Häppchen-Events und trotzdem populär. Man kann sie in jede Talkshow schicken, und die Zuschauer werden sich hinterher Autogramme holen.

Lisa Ortgies, die von "Frau TV" vom WDR zur Emma kommt, für die sie schon Kolumnen schrieb, ist in der Emma-Zielgruppe eine solche Figur. Und Claus Kleber, der Moderator des "heute journals", den man sich beim Spiegel als Chefredakteur wünscht, auch. Sein bisheriger Arbeitgeber, das ZDF, erwartet Klebers Entscheidung, ob er zum Nachrichtenmagazin wechsle, nicht vor Mittwoch. Der Sender will ihn, der am Freitag auch beim ZDF schon weg schien, noch zwei Tage ins Gebet nehmen. Und doch: Die Botschaft ist, dass man den Fernsehmann beim Spiegel unbedingt will.

Auch Giovanni di Lorenzo, den in der Branche der Ruf eines potenziellen Konsens-Kandidaten für quasi jede freie Stelle umweht, ist anfangs offenbar ein ernsthafter Kandidat für Stefan Austs Nachfolge als Spiegel-Chef gewesen. "Er ist präsentabel, er ist eine Integrationsfigur, und er polarisiert nicht", sagte ein Spiegel-Redakteur, als Aust gerade geschasst worden war und die Nachfolgespekulationen begannen. Und wie Kleber und Ortgies hat auch di Lorenzo für seine Arbeitgeber eine Maskottchenfunktion: Der Zeit-Chefredakteur moderiert mit "3 nach 9" auch eine Fernseh-Talkshow.

Dennoch mutet die Entwicklung erstaunlich an - schließlich müssen doch nebenbei auch die speziellen Herausforderungen gemeistert werden, die an ein Printmedium gestellt werden. Als Aust, von "Spiegel TV" kommend, 1994 Spiegel-Chef wurde, passte das genau in die Zeit: 1993, das Privatfernsehen blühte auf, war Focus erschienen und erwuchs für den Spiegel rasch zur ernsthaften Konkurrenz. "Gedrucktes Fernsehen" wolle man machen, verkündete Focus damals - die Reaktion von Spiegel-Herausgeber Rudolf Augstein: Er setzte Fernsehmann Aust als Chefredakteur durch.

Die große Herausforderung für Medienverlage ist heute aber: das Internet. Die lange vertretene Kannibalisierungsthese - Printmedien, die ihre Inhalte auch online anbieten, würden sich selbst schaden und sich so letztlich selbst ruinieren - wird heute von den meisten denkbegabten Printleuten als kulturpessimistische Horrorvision abgetan. Doch die Frage bleibt: Wie lassen sich Online- und Print-Medium unter einen Hut bringen?

Dass Mathias Müller von Blumencron, Chef von Spiegel-Online, als Klebers Stellvertreter beim Print-Spiegel gehandelt wird und zugleich wohl Online-Chef bleiben soll, zeigt, dass man diese Herausforderung angehen will. Dass ihm ein Fernsehmann vor die Nase gesetzt werden soll, aber belegt, dass ein Gesicht als einprägsame Marke - und nach wie vor kann nur das massenverbindende Medium Fernsehen eine solche Marke installieren - ebenso wichtig ist; abgesehen davon, dass Kleber als hervorragender Journalist mit Blick für Kiosktitel und als moderierender statt autokratischer Leiter gilt. "Der Spiegel ist auch ein Zirkus - mit vielen großen Tieren", schrieb die Süddeutsche Zeitung.

Dass Kleber gerade aus den USA kommt, wo er einen Film ausgerechnet in Las Vegas drehte - na so was.

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