Lesbe darf Adoptivmutter werden

Homosexuelle dürfen bei Adoptionen nicht benachteiligt werden, entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Er gab damit einer Lesbe Recht, der die Aufnahme eines Kindes mit Hinweis auf die fehlende Vaterfigur untersagt worden war

VON CHRISTIAN RATH

Homosexuelle dürfen bei der Adoption von Kindern nicht wegen ihrer sexuellen Orientierung benachteiligt werden. Dies entschied nun der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem Fall aus Frankreich, der aber auch für Deutschland relevant ist. Es geht dabei allerdings nur um die Adoption durch Einzelpersonen, nicht um schwule oder lesbische Paare.

Geklagt hatte eine 45-jährige Lesbe aus dem ostfranzösischen Department Jura. Die Kindergärtnerin lebt schon seit 1990 mit einer Psychologin zusammen. Im Jahr 1998 beantragte die Kindergärtnerin als Einzelperson die Adoption eines Kindes. Homosexuellen Paaren ist in Frankreich, wie in Deutschland, keine Adoption möglich. Die Frau machte bei der Antragsstellung aber kein Hehl aus ihrer Homosexualität und hob die stabile Beziehung zu ihrer Partnerin hervor.

Die französischen Behörden lehnten eine Adoption ab. Begründet wurde dies zum einen mit der zwiespältigen Haltung der Partnerin zum Adoptionsplan, zum anderen mit dem Fehlen einer „väterlichen Bezugsperson“ im Haushalt. Die Frau klagte daraufhin vergeblich bei französischen Gerichten. Es sei nur um das Wohl des Kindes gegangen, argumentierte etwa der Conseil d'Etat 2002. Der Straßburger Gerichtshof für Menschenrechte, dessen Rechtsprechung 47 Staaten Europas unterliegen, sah nun das „Recht auf Privatleben“ der Lesbe verletzt und sprach ihr Schadensersatz in Höhe von 10.000 Euro zu. Gegen die Entscheidung, die mit zehn zu sieben Richterstimmen fiel, ist kein Rechtsmittel mehr möglich.

Die Richter warfen den französischen Behörden Inkonsequenz vor. Wenn im Gesetz die Adoption durch Einzelpersonen zugelassen ist, dann wirke es nicht überzeugend, wenn dem Adoptionswunsch einer Frau das Fehlen einer Vaterfigur vorgeworfen werde. Der Gerichtshof sah darin nur einen „Vorwand“. Die französischen Behörden hätten auch nicht widerlegen können, dass solche Argumente faktisch zur Diskriminierung von Homosexuellen führen.

Den Hinweis auf die ambivalente Haltung der Lebenspartnerin ließ der Gerichtshof dagegen gelten. Dies könne durchaus relevant sein für das Wohl eines Adoptivkindes. Allerdings habe der andere Begründungsteil – der Vorwurf der fehlenden Vaterfigur – die ganze Entscheidung „kontaminiert“, so die Richter.

Das Urteil hat auch Auswirkungen für Deutschland, da hier ebenfalls die Adoption durch Einzelpersonen zulässig ist. Bei Inlandsadoptionen kommen hetero- und homosexuelle Einzelpersonen allerdings kaum zum Zug, weil nur sehr wenige Kinder zu vermitteln sind. Relevant ist vor allem die Adoption ausländischer Kinder. „In manchen Jugendämtern werden Homosexuelle immer noch diskriminiert“, hat Klaus Jetzt vom Lesben- und Schwulenverband beobachtet, „das ist regional sehr unterschiedlich.“ Hier kann das Straßburger Urteil künftig helfen.

Die Entscheidung befasste sich aber nicht mit der Einschränkung, dass Homosexuelle nicht als Paar ein Kind adoptieren dürfen. „So hat immer nur ein Partner oder eine Partnerin das Sorgerecht“, kritisiert Volker Beck von den Grünen. Eingetragenen Homo-Paaren wurde 2006 unter Rot-Grün immerhin die Stiefkindadoption von leiblichen Kindern aus einer früheren Hetero-Beziehung erlaubt.