Datenschützer Schaar über Privatsphäre: "Das Steuergeheimnis muss bleiben"

Datenschützer Peter Schaar warnt trotz Steueraffäre vor zügellosem Zugriff der Behörden auf die Privatsphäre der Bürger. Anders sieht er das, wenn es um Banken geht.

Ständige Kontrollen sind eine Scheinlösung, meint Schaar. Bild: ap

taz: Herr Schaar, hat der Bundesnachrichtendienst (BND) den Datenschutz verletzt, indem er Informationen über Konten in Liechtenstein kaufte?

Peter Schaar: Noch kenne ich nicht alle relevanten Fakten, daher will ich momentan keine Bewertung abgeben.

Inzwischen kursieren zahlreiche Vorschläge, wie Steuerflucht künftig auch ohne BND-Hilfe entdeckt werden könnte. Eine Idee: Das Steuer- und Bankgeheimnis zu lockern. Erlaubt das die Verfassung?

Man muss zwischen dem Steuer- und dem Bankgeheimnis klar unterscheiden. Das Steuergeheimnis sorgt dafür, dass Angaben gegenüber dem Finanzamt nicht an die Öffentlichkeit dringen. Denn es kann sich um sehr sensible Daten handeln - wie etwa Auskünfte über eine Behinderung oder gezahlten Unterhalt. Das Steuergeheimnis muss gewahrt bleiben.

Aber in Skandinavien ist es auch möglich, die Steuerakten seiner Mitbürger einzusehen.

Dort herrschen andere soziale und verfassungsrechtliche Traditionen. Es sind kleine Länder, die zudem sehr viele Steuerentscheidungen an die einzelne Kommune delegieren. Aber auch in Skandinavien nehmen die Klagen zu, dass die freie Einsicht in die Steuerakten missbraucht wird. Im übrigen sind die Befugnisse der deutschen Steuerfahndung bereits sehr ausgedehnt - und gehen sogar noch über die Rechte einer Staatsanwaltschaft hinaus, weil nicht zwingend ein Anfangsverdacht vorliegen muss. Für die Steuerfahndung reicht es, wenn die allgemeine Lebenserfahrung die Vermutung nahelegt, dass Geld am Fiskus vorbei geschmuggelt wurde.

Eine solche Vermutung entsteht nur, wenn die Finanzämter über möglichst lückenlose Informationen verfügen. Sollte man nicht wenigstens das Bankgeheimnis abschaffen?

Eigentlich gibt es sowieso kein Bankgeheimnis - es handelt sich nur um eine vertragliche Selbstverpflichtung der Banken, über kundenbezogene Tatsachen zu schweigen. Und das ist sinnvoll! Denn das Bankgeheimnis hindert die Banken auch daran, die persönlichen Daten ihrer Kunden für die Werbung zu nutzen - oder gar weiter zu verkaufen. Und im übrigen gilt auch hier, dass in konkreten Verdachtsfällen die Banken der Steuerfahndung Auskunft geben müssen.

Aber dazu muss ein Verdacht existieren. Dieter Ondracek, Chef der Steuergewerkschaft, schlägt vor, dass die Banken Kontrollmitteilungen an die Finanzämter verschicken. Es gingen ja auch alle Lohn- und Rentendaten an die Behörden.

Über Kontrollmitteilungen kann man nachdenken, aber der Teufel steckt im Detail. Es geht um die Verhältnismäßigkeit: Man wird ja wohl nicht jede Überweisung der Großmutter an ihren Enkel erfassen wollen. Grundsätzlich ist zu bedenken, dass das Kontrollnetz sowieso immer engmaschiger wird. Zum Beispiel werden jetzt die Bafög-Anträge mit den Freistellungsanträgen abgeglichen, um verschwiegene Sparkonten aufzuspüren.

Ist das nicht ungerecht: Hartz-IV-Empfänger oder Bafög-Studenten müssen sich komplett offenbaren - während sich die Reichen hinter dem Bankgeheimnis verschanzen?

Wie gesagt: Man kann über Kontrollmitteillungen nachdenken. Aber wenn sich die Bürger stärker offenbaren sollen, dann muss die Steuerverwaltung den Bürgern mit der gleichen Transparenz gegenüber treten. Jeder muss erfahren können, welche Daten über ihn beim Finanzamt gespeichert sind - beim Verfassungsschutz oder bei der Polizei ist das längst möglich.

Eine weitere Idee stammt aus Australien, das Daten von Kreditkarten nutzt, um Vermögen in Steueroasen aufzuspüren. Was halten Sie davon?

Sofern ein konkreter Verdacht besteht, ist dies auch in Deutschland zulässig. Aber ein anlassfreier Zugriff der Behörden auf alle Bürgerdaten ist nach unserer Verfassung nicht möglich. Überhaupt sollte man sich von Kontrollmitteilungen aller Art nicht allzu viel versprechen. Dabei entstehen eine ungeheure Bürokratie und riesige Datenfriedhöfe. Das hat sich schon bei den Verdachtsmeldungen nach dem Geldwäschegesetz gezeigt.

Sie sehen also keinen Reformbedarf?

Ständige Kontrollen sind eine Scheinlösung. Effektiver wäre es, die Steuern in der EU zu vereinheitlichen. Zudem würde es sicher viele Steuersünder abschrecken, wenn ihre Angaben von den Finanzämtern öfter überprüft würden.

INTERVIEW ULRIKE HERRMANN

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