Rauswurf wegen dunkler Hautfarbe

In Osnabrück kündigte der Vermieter einer Studentin und deren Tochter die Wohnung. Der Grund: Anderen Hausbewohnern passte offenbar die Hautfarbe der 34-jährigen Afrobritin nicht. Die klagt nun und schafft damit wohl einen Präzedenzfall

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gilt seit 2006. Wer wegen seiner ethnischen Herkunft, seines Geschlechts, einer Behinderung, des Lebensalters, der Religion und der Weltanschauung oder sexuellen Identität benachteiligt wird, kann seitdem auf Schadenersatz klagen. Der Schmerzensgeldanspruch ist in seiner Höhe nicht festgeschrieben. Wegen rassistischer Diskriminierung gab es bisher erst eine Klage. Zwar gehen diesbezügliche Beschwerden häufig bei Antidiskriminierungsbüros ein, aber ein Beweis ist oft sehr schwer zu führen.

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AUS OSNABRÜCK SIGRID LEHMANN-WACKER

So offen und ehrlich gibt selten jemand Rassismus zu: „Die Begründung für die Kündigung liegt darin, dass einige Mitmieter des Wohnhauses mit Ihrer Herkunft und Hautfarbe und mit Ihrer persönlichen Situation als Alleinerziehende nicht einverstanden sind.“ Mit diesen Worten teilte der Vermieter Natasha Kelly und ihrer kleinen Tochter mit, dass sie ihre Wohnung in Osnabrück los war. Sie klagt nun und könnte damit einen Präzedenzfall schaffen.

Bevor die 34-jährige Studentin dieses Schreiben Mitte Dezember 2007 las, hatte der ebenfalls mit ihr im Haus lebende Vermieter F. ein fast freundschaftliches Verhältnis zu ihr und ihrem 12-jährigen Kind gehabt. Doch zwei Bewohner des Sechs-Parteien-Miethauses in der Innenstadt hätten ihn unter Druck gesetzt, sagt F. heute. In dem Kündigungsschreiben, welches der taz vorliegt, heißt es: „Da die älteren Parteien schon seit 40 Jahren Mieter sind, kann ich ihnen leider nicht kündigen und muss daher Ihnen die Kündigung aussprechen.“

„Dass man mir wegen meiner Hautfarbe die Wohnung nicht vermietet, kenne ich schon“, sagte Kelly. „Aber dass man mich deswegen nachträglich wieder rausschmeißt, ist mir noch nie passiert.“ Ihre Anwältin halt die Begründung des Vermieters für eine Farce. „Wer ist denn der Chef im Haus?“, fragt Rechtsanwältin Simone Singer. „Ich glaube, dass hier einfach abwertendes Gedankengut vorhanden ist. So geht man nicht mit anderen Menschen um!“

Auf 10.000 Euro Schmerzensgeld und Schadenersatz klagt die junge Frau nun. Ihre Klage wird sehr wahrscheinlich einen Präzedenzfall für die Anwendung des seit August 2006 geltenden Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes schaffen. Laut dem Gesetz darf niemand wegen seiner Herkunft, seines Geschlechts, einer Behinderung, des Alters, der Religion und der Weltanschauung oder sexuellen Identität benachteiligt werden. Rechtsanwältin Singer betont die Einzigartigkeit des Falles: „Das hat es bisher noch nicht gegeben, dass jemand diskriminierendes Gedankengut so offen preisgibt!“

Inzwischen haben sich die Kellys eine neue Wohnung gesucht. „Ich selbst wäre da wohnen geblieben und hätte den Kampf bis zu Ende durchgekämpft“, sagt Kelly. „Aber ich wollte meine Tochter nicht in einem rassistischen Umfeld aufwachsen lassen.“ Einfach war der Umzug trotzdem nicht. Auch beim Finden der neuen Wohnung hatte Kelly mit Vorurteilen von Vermietern zu kämpfen, die sie für eine Mietnomadin hielten. Als sie bei F. anriefen, stellte der allerdings klar, worum es ging: Kelly sei wegen ihrer Hautfarbe gekündigt worden.

Mit der schwierigen Situation dunkelhäutiger Einwanderer hat sich die in London geborene und dann in Deutschland aufgewachsene Afrobritin schon während ihres Studiums der Kommunikationswissenschaften beschäftigt. Sie publizierte im Sommer 2007 die erste deutsche Zeitschrift für Afrokultur – das X-Magazin. Zu den Autoren zählte unter anderem der südafrikanische Bürgerrechtler Denis Goldberg. Sie betrachtet Deutschland als ihre Heimat und wollte etwas für die Verständigung der Deutschen mit den afrikanischstämmigen Zuwanderern tun. Wir Afros sind ein Teil dieser Gesellschaft“, sagt Kelly. In Osnabrück haben das einige Menschen offenbar noch nicht begriffen.