Niedriglöhne auf der Baustelle: Baufirmen reißen Mindestlohn ab

Ein Tarifstreit in Ostdeutschland gefährdet die Mindestlöhne im Baugewerbe. Firmen wollen Lohnkosten sparen - und machen sich so für Billigkonkurrenz angreifbar.

"Wenn die Arbeitgeber die Löhne nach unten öffnen - wie wollen sie dann noch konkurrieren?" Bild: dpa

BERLIN taz Auf Baustellen könnten ab September Niedriglöhne gezahlt werden. Laut der Gewerkschaft IG BAU stehen die Mindestlöhne, die in der Baubranche bundesweit gelten, vor dem Aus. "Ausgerechnet in der Branche, die beispielhaft dem Lohndumping begegnet ist, droht nun der Flächenbrand", sagt Gewerkschaftschef Klaus Wiesehügel. Er prognostiziert ein "Hauen und Stechen" in der Branche.

Für die SPD wäre ein Scheitern der Bau-Mindestlöhne eine erneute Schlappe bei ihrem Lieblingsprojekt. Eigens für die Baubranche mit ihren 700.000 Beschäftigten wurde im Jahr 1996 das Entsendegesetz eingeführt, sie ist Vorreiter für Mindestlöhne in Deutschland. Mit dem Entsendegesetz will SPD auch in anderen Branche Lohnuntergrenzen einziehen.

Hintergrund der Drohung ist ein Tarifstreit in der ostdeutschen Baubranche. Für Bauarbeiter gilt die Mindestlohn-Regelung noch bis Ende August. Sie sieht zwei Lohngruppen vor - eine für Facharbeiter und eine für ungelernte Bauhelfer. Das Problem: Gewerkschaft und Arbeitgeber werden sich in Ostdeutschland bei einer Neuauflage des Tarifvertrags nicht einig, der für allgemeinverbindlich erklärt werden könnte.

Die dortigen Firmenchefs, vertreten durch den Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) und den der Bauindustrie, wollen den Facharbeiterlohn kippen und nur noch eine einzige, niedrige Lohnuntergrenze akzeptieren. "Wir wollen auch, dass unsere Beschäftigten netto mehr in der Tasche haben", sagt ZDB-Vize Uwe Nostitz. Aber: "Von einer Mindestlohnerhöhung profitieren zunächst einmal der Staat und die sozialen Sicherungssysteme." Die Gewerkschaft will nun notfalls die bundesweite Mindestlohn-Vereinbarung platzen lassen. Ein Spitzengespräch Ende vergangener Woche brachte keine Annäherung.

Fest steht: Die Baufirmen im Osten würden durch den niedrigen Mindestlohn viel Geld sparen. Der Mindestlohn 1 für Ungelernte liegt derzeit bei 9 Euro, der umstrittene Mindestlohn 2 für Facharbeiter bei 9,80 Euro. Laut Gewerkschaft bekommen 90 Prozent der Ost-Bauarbeiter den höheren Lohn. Falls die Firmen in Zukunft nur das Helfer-Gehalt zahlen, bekäme ein Facharbeiter 140 Euro im Monat weniger. "Eine solche Kürzung können wir nicht akzeptieren", sagt Wiesehügel. Zumal die Gewerkschaft vor ihren Mitgliedern als Schwächling dastünde. "Wenn das durchkommt, können wir uns gleich begraben", heißt es intern.

Bis Ende Mai müssten die Arbeitgeber sich bewegen, so die Gewerkschaft - sonst könne ein Mindestlohn-Antrag nicht mehr pünktlich gestellt werden. Doch sie kann kaum Druck ausüben. Bis Ende August herrscht Friedenspflicht, außerdem ist ihr Organisationsgrad niedrig. Es gibt bundesweit 70.000 kleine Firmen, im Schnitt kommen auf jeden Betrieb zehn Beschäftigte - schwieriges Terrain für Gewerkschafter. Ihnen bleibt der Appell, den sie betriebswirtschaftlich unterfüttern. Denn spätestens im Jahr 2011 können durch die Arbeitnehmerfreizügigkeit polnische oder lettische Firmen hier ihre Dienste anbieten. Ein IG-BAU-Sprecher: "Wenn die Arbeitgeber die Löhne nach unten öffnen - wie wollen sie dann noch konkurrieren?"

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