Gendiagnose nur freiwillig

Arbeitgeber prüfen die Gene von Bewerbern, Versicherungen gibt es nur für Gesunde – solchen Szenarien will die Bundesregierung vorbeugen. Kritiker finden das Vorhaben gut, aber zu unpräzise

AUS BERLIN WOLFGANG LÖHR

Nach jahrelanger Diskussion will die Bundesregierung jetzt ein Gesetz für Gentests vorlegen. Genetische Untersuchungen sollen künftig nur noch unter strengen Voraussetzungen zulässig sein. Dies sehen am Mittwoch vom Bundeskabinett beschlossene Eckpunkte für ein Gendiagnostikgesetz vor. So soll künftig niemand wegen seiner genetischen Eigenschaften diskriminiert oder stigmatisiert werden. Heimliche Vaterschaftstests sollen grundsätzlich untersagt werden.

„Das Gendiagnostikgesetz bringt Klarheit für Beschäftigte“, begrüßte Ingrid Sehrbrock, Vizevorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, das Eckpunktpapier der Regierung. So ist vorgesehen, dass Arbeitgeber weder genetische Untersuchungen einfordern dürfen, noch soll es ihnen erlaubt sein, die Ergebnisse von bereits vorgenommenen Tests zu verwenden.

Lediglich beim Arbeitsschutz sollen Ausnahmen zulässig sein – zum Beispiel, um bei Elektrikern oder Busfahrern zu überprüfen, ob eine Farbenblindheit vorliegt.

Auch Versicherungen sollen nur in Ausnahmen Gentests verwenden dürfen – etwa wenn eine Lebensversicherung eine bestimmte Summe übersteigt.

Die Regierungskoalition setzt in dem Papier weitgehend auf die Freiwilligkeit von genetischen Untersuchungen. Sie dürfen nur durchgeführt werden, wenn die Betroffenen vorab über den Test informiert worden sind und wenn sie „rechtswirksam eingewilligt“ haben. Damit soll das Recht auf Nichtwissen sichergestellt werden. Auch soll nur der Betroffene allein entscheiden dürfen, an wen seine genetischen Daten und Proben weitergegeben werden oder ob sie vernichtet werden müssen.

Abhängig von den möglichen Folgen eines Gentests soll der Untersuchung eine genetische Beratung vorgeschaltet werden. Unterschieden wird hier zwischen diagnostischen und prädiktiven Gentests. Der diagnostische Test gibt Auskunft über eine bestehende Erbkrankheit. Der Patient kommt mit Krankheitssymptomen zum Arzt, und dieser klärt ab, was die Ursache ist. Bei den prädiktiven Gentests hingegen ist der Betroffene gesund. Mit dem Gentest kann nur geklärt werden, ob er eine Disposition für eine Erbkrankheit hat. Ihm kann allenfalls noch mitgeteilt werden, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass die Krankheit ausbricht. Eine Aussage darüber, ob sie bei ihm überhaupt ausbricht, ist nicht möglich.

Da prädiktive Gentests unter Umständen einen gravierenden Einfluss auf die künftige Lebensführung und -planung eines Betroffenen haben kann, sieht der Kabinettsbeschluss für solche Fälle eine obligatorische Beratung vor. Ein Recht auf Beratungsverweigerung soll aber bestehen bleiben.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar begrüßt grundsätzlich das Vorhaben der Bundesregierung, fordert aber, dass für heimliche Tests Strafen festgelegt werden müssten. Ein Verbot, das letztlich keine Konsequenzen habe, sei nicht durchsetzbar, sagte Schaar.

Auch von der Opposition kommt Kritik. „Das Gendiagnostikgesetz kommt viel zu spät“, sagen die Bundestagsabgeordneten der Grünen Volker Beck und Biggi Bender. So lasse die Koalition den Forschungsbereich, bei dem am meisten Handlungsbedarf bestehe, ganz außen vor.

Unter der rot-grünen Bundesregierung gab es schon einmal einen Gesetzesentwurf. Das Gesetz scheiterte vor allem an dem damaligen Innenminister Otto Schily (SPD). Er verlangte, dass die Sicherheitsbehörden für Fahndungszwecke Zugriff auf die genetischen Daten bekommen müssten. Das wollten die Grünen nicht mitmachen. Im vergangenen Jahr brachten die Grünen erneut einen Gesetzesentwurf in den Bundestag ein. Mit ihm hatten die Grünen die Regierungskoalition auch unter Zeitdruck gesetzt, selbst aktiv zu werden.

Das Gentestgesetz werde noch dieses Jahr dem Bundestag vorgelegt, heißt es im Gesundheitsministerium. Der Grüne Beck stellt das jedoch in Frage. Denn noch sei das Eckpunktepapier ein „reiner Torso“. Einige Formulierungen ließen auch erkennen, dass vieles noch nicht zu Ende gedacht sei.