Handelskammer-Chef jubelt: Optimismus bei der Lehrstellen-Statistik

Der Handelskammer-Chef sagt für 2008 mehr offene Lehrstellen als Bewerber voraus. Eine optimistische Interpretation der Statistik - die Regierung rechnet mit 200.000 Stellen zu wenig.

Warten auf den demographischen Wandel? Bild: dpa

BERLIN taz Der Chef der Industrie- und Handelskammern kann sich offenbar vor Freude kaum halten. "Die Aussichten für die Jugendlichen bei der Lehrstellensuche sind glänzend", jubelte Ludwig Georg Braun, der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), am Dienstag in der Bild-Zeitung. "Ende September - zu Beginn des Ausbildungsjahres - wird es, nach jetzigem Stand, erstmals seit 2001 wieder mehr offene Stellen als suchende Jugendliche geben."

Tatsächlich: Für den Zeitraum Oktober 2007 bis April 2008 meldet die Bundesagentur für Arbeit 485.000 Bewerber. Davon suchen noch rund 210.000 eine Stelle, die anderen sind bereits versorgt. Den Suchenden stehen im Moment gut 190.000 offene Lehrstellen gegenüber. Und: "In den Sommermonaten wird sich auf dem Markt noch sehr viel tun", sagte BA-Sprecherin Frauke Wille. Ein kleines Plus liegt also im Bereich des Möglichen. Der DIHK rechnet optimistischer. Er zählt die Verträge, die bei seinen Mitgliedsfirmen von Januar bis April unterschrieben wurden. Im Vergleich zu 2007 sei die Zahl um 8,6 Prozent gestiegen, sagt Ausbildungsexperte Thilo Pahl. "Wenn sich der Trend fortsetzt, schaffen wir die Wende."

Die Bundesagentur hält sich mit solchen Prognosen zurück. "Man kann noch nicht vorhersagen, ob es eine Lücke gibt und wie groß sie wird", sagte Wille. "Dafür ist es zu früh." Zumal jeder die Statistik anders liest. Die Bundesregierung kalkuliert zum Beispiel pessimistisch. Im Berufsbildungsbericht schätzen die Statistiker des Bildungsministeriums, dass gut 200.000 Jugendliche bei der Jagd nach Ausbildungsplätzen leer ausgehen. Auch 2007 blieben 100.000 ohne Lehrstelle.

Gewerkschafter kritisieren das Vorpreschen der Industrielobby. "Das ist der Versuch, die Situation schönzureden", sagt René Rudolf, Bundesjugendsekretär beim DGB. Der DIHK verschleiere die Lage, indem er nur die betriebliche Ausbildungsverträge zähle, so Rudolf. "Seit langem hat sich ein Parallelsystem etabliert. Darin simulieren Bildungsträger eine betriebliche Ausbildung lediglich - die Stellen werden aber als volle Ausbildungsplätze gewertet." Diese Jugendlichen hätten schlechtere Jobchancen.

Es sind vor allem zwei Effekte, die für Bewegung auf dem Ausbildungsmarkt sorgen: Durch die günstige Konjunkturlage stellen die Firmen mehr ein. Gleichzeitig verlassen geburtenschwache Jahrgänge die Schulen. In den 90ern ging die Geburtenraten laut dem Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Ost- und Westdeutschland zurück - die Kinder der Nachwendezeit sind jetzt im ausbildungsfähigen Alter.

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