Mosebachs Büchnerpreis-Rede: Saint-Just. Mosebach. Himmler

Schriftsteller Martin Mosebach parallelisierte die Rhetorik des Revolutionärs de Saint-Just mit Heinrich Himmlers Posener Rede. Aber wer war Saint-Juste? Eine Begriffskunde.

Schriftsteller Mosebach. Bild: ap

Dass die Revolution ihre Kinder frisst, trifft wohl auf wenige in so wörtlichem Sinn zu wie auf Louis-Antoine-Léon de Saint-Just. Er ist 21 Jahre alt, als die Französische Revolution beginnt, und 26, als er auf der Guillotine stirbt. Zuvor hat das Fallbeil, oft auf sein unmittelbares Einwirken hin, viele seiner politischen Gegner, aber noch mehr einfache Franzosen gerichtet. So ist Saint-Just ohne Frage eine der zentralen Figuren des revolutionären Terrors, der in den Jahren 1793/4 etwa 300.000 Menschen das Leben kostet.

Seine Jugend verbringt Saint-Just als Sohn eines Kavalleriehauptmanns in der Pircardie, nordöstlich von Paris. Nach einem Studium der Rechte ringt er ohne Erfolg um eine schriftstellerische Karriere in Paris. Die politischen Ereignisse seit dem Bastillesturm geben seinem Leben eine neue Wendung. Er richtet sich an Robespierre, der ihn erfolgreich protegiert und dem er treu bis ans Ende folgt. Bei den Wahlen zur Nationalversammlung 1791 kann Saint-Just aus Altersgründen noch nicht kandidieren, doch der glühende Republikaner wird ein Jahr später Abgeordneter des Konvents und im Mai 1793 schließlich Mitglied der Regierung, des Wohlfahrtsausschusses.

Bald zieht Saint-Just den Tod in sein politisches Kalkül ein. Er plädiert für die Hinrichtung Ludwigs XVI. und die Verbannung der Bourbonen. Im Auftrag des Wohlfahrtsausschusses führt er den Angriff auf die Gironde an und erreicht die Verurteilung der Konkurrenten zum Tode. Er ist es, der durch eine Rede den Konvent zur Einsetzung einer "revolutionären Regierung" mit außerordentlichen Vollmachten bewegt, und er spielt einen wichtigen Part bei der Ausschaltung Dantons und seiner Fraktion.

Als Saint-Just im Spätherbst 1793 auf eine Mission ins Elsass und zur Rheinarmee entsandt wird, muss er zum ersten Mal ohne seinen Mentor handeln. Die preußischen und österreichischen Truppen haben den Rhein überschritten. Als langer Arm der jakobinischen Zentrale entfaltet er eine fieberhafte Aktivität, deren Hauptziel die Versorgung und Ausrüstung der Armee und die Suche nach etwaigen Verschwörern in ihrem Rücken ist.

Er bombardiert die völlig überforderten örtlichen Behörden mit pamphletistisch anmutenden Dekreten, in denen die Feindbilder der Jakobiner - "Aristokraten", "die Reichen", der religiöse "Fanatismus" - beschworen werden. Die Elsässer sollen ihre Wertsachen abgeben, bei den Wohlhabenden werden Kriegskontributionen eingetrieben, der Gottesdienst wird verboten, die Königsstatuen vom Straßburger Münster abgeschlagen. Vor allem aber organisiert Saint-Just die Jagd auf die "Verdächtigen", ordnet nächtliche Hausdurchsuchungen an und richtet ein reisendes Tribunal ein, das jede Unregelmäßigkeit in der Armee und in der Zivilbevölkerung auf das Schärfste ahnden soll. Das Gros der etwa 100 Todesopfer, welche der Terror im oberrheinischen Departement forderte, geht auf die Kosten dieser Institution.

Im Thermidor des Jahres II übernimmt Saint-Just als Einziger die Verteidigung Robespierres, doch er rettet weder dessen Kopf noch seinen eigenen.

Der Autor ist Historiker und lehrt an der FU Berlin.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.