Theater: Spätherbst für Hitler

Am Berliner HAU-Theater hat Filmemacher und Comicliebhaber Buttgereit das Stück "Captain Berlin vs. Hitler" inszeniert - mit einem Superhelden, der das Fliegen noch lernen muss.

Superheld Captain Berlin im Stück "Captain Berlin vs. Hitler" Bild: dpa

Gespannt war man am Samstag auf Jörg Buttgereits Inszenierung von "Captain Berlin vs. Hitler", die im Berliner Hebbel-Theater, direkt gegenüber der SPD-Zentrale, stattfand.

Der 44-jährige Autor, Filmkritiker, Film- und Fernsehregisseur, Liebhaber der großen B-Filmregisseure der Siebzigerjahre hat mit Filmen wie "Nekromantik" (1987) und "Schramm" (1993) nicht nur in Berlin einen gewissen Ruhm erreicht. In den letzten Jahren ist er vor allem als Plattenaufleger, Filmkritiker und Hörspielautor in Erscheinung getreten. 2005 hat er das Ramones-Musical "Gabba Gabba Hey" inszeniert, für die Arte-Fernsehreihe "Durch die Nacht« ist er mit dem lustigen schwulen Pornoregisseur Bruce La Bruce durch Toronto gerannt und hat kürzlich auf einer Berliner Tagung über Hitler im Film ein kluges Eröffnungsgespräch geführt.

Bei dieser Tagung wurde nicht so sehr der respektlose Umgang von Künstlern wie Helge Schneider, Moers, Schlingensief oder eben Buttgereit mit dem Nationalsozialismus problematisiert. Vielmehr gerieten die sich seriös und aufklärerisch gebenden Filme wie "Der Untergang" oder die TV-Arbeiten von Guido Knopp ins Visier. Diese nämlich würden letztlich ehrfurchtsvolle Mystifizierung oder "Hitlerei" (wie Dietrich Kuhlbrodt es nennt) betreiben, etwa indem sie die von den Nazis zu Propagandazwecken hergestellten Aufnahmen als objektives Dokumentarmaterial verwendeten. Jene würden durch blasphemisches Lächerlichmachen entmystifizieren. "Der Untergang" lasse sich von Nazis goutieren; ein Trashfilm über Hitler nicht.

Diese Diskussion ist mehr als 30 Jahre alt - spätestens seit Mel Brooks Musical "Frühling für Hitler" wird sie geführt. Doch damals war die Position, Aufklärung sei durch Trash möglich, die einer sehr kleinen Minderheit. Diese hat erst jetzt eine gewisse Meinungsmacht gewonnen, sodass sie "seriös" auf größeren Tagungen diskutiert wird.

"Captain Berlin vs. Hitler" basiert auf einem Hörspiel, das Buttgereit für Deutschlandradio-Kultur gemacht hat, und geht zurück auf die Rezeption trashiger Nazi-Comics aus den USA, die der Regisseur sehr liebt. Die Einfachheit der Bühne ist großartig: ein offenes Zirkuszelt mit einem Hakenkreuz an der Spitze. Davor und darin agieren die wunderbaren Schauspieler: der kleinwüchsige Conférencier Michael Waechter, der Superheld Captain Berlin, dessen unberührte, aufreizende Tochter Maria, Ilse von Blitzen (Claudia Steiger), die geniale Leibärztin Adolf Hitlers, Hitlers Gehirn mit lustig heraustretenden Augen, das später in einen seltsamen Roboter gepflanzt wird, Graf Dracula aus der verbotenen Ostblockzone (gespielt von dem Kafka-Verehrer Adolfo Assor).

Die Geschichte ist schnell erzählt: Widerständige Wissenschaftler schufen in den 30er-Jahren Captain Berlin, einen deutschen Superhelden, der den wahnsinnigen Diktator Hitler umbringen sollte. Dies misslang. Doch auch der Versuch Hitlers, sich das Leben zu nehmen, ging daneben. Das Hirn des Diktators wurde von dessen tüchtiger Leibärztin Ilse von Blitzen konserviert. Endlich ist sie im Begriff, dem Hirn einen neuen Körper zu geben. Behilflich soll ihr dabei Dracula sein, der jedoch ideologisch dem Sozialismus nahesteht. Am Ende gibt es einen schönen Showdown, bei dem Hitlers Hirn wie ein ekliger Ball hin- und hergeworfen wird.

Dies alles ist sehr comichaft inszeniert und ausgestattet. Man spürt die Freude, mit der die Schauspieler so völlig überzeichnet agieren. Wie ein Kind, das das Fliegen mit ausgebreiteten Armen übt, rennt der Superheld über die Bühne oder kämpft in Zeitlupe. Adolfo Assor, den man aus existenziell-melancholischen Inszenierungen kennt, zeigt einen Humor, den man ihm nicht zugetraut hatte; eher streng, sexy und hysterisch Ilse von Blitzen.

Die Ausstattung ist prima. Als Horrorfilmfreund ist man ganz begeistert, wenn Gedärme aus buntem Papier aus einem Zombie quellen. Manchmal wirkt das Stück, als käme es aus dem Kopf eines Teenagers, der amerikanischen Trashfilmen und Comics verfallen ist. Selten hat man sich im Theater so amüsiert.

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