Dokumentation über John A. Alonzo: Das Kino durch die Kamera finden

Nicht nur eine Hommage an einen Künstler, sondern ein Plädoyer für den Beruf des "Director of Photography" überhaupt - das ist Axel Schills Dokumentation über John A. Alonzo.

Passionierter Filmverrückter: Der Kameramann Alonzo. Bild: realfiction

Die Autorentheorie hat in der Vergangenheit immer wieder für Missverständnisse gesorgt - und mitunter auch hanebüchenen Unsinn zu verantworten. In der Filmkritik ist dies heute besonders augenfällig. Wenn es um die Autorenschaft eines Filmes geht, ist es immer noch gängige Praxis, den Regisseur stellvertretend für seinen Stab als Urheber zu nennen. Mehr noch als der Cutter oder der Drehbuchautor hat der Kameramann unter diesem Missstand zu leiden - und das, obwohl schon seit 1928 der Oscar in der Kategorie "Beste Kinematografie" verliehen wird. Der unschöne Begriff "Kameramann" ist da ganz bezeichnend für die allgemeine Wertschätzung für die Arbeit hinter der Kamera. Die amerikanische Berufsbezeichnung "Director of Photography" vermittelt eine bessere Vorstellung von seiner künstlerischen Verantwortung.

So geht Axel Schill mit seiner Dokumentation "The Man Who Shot Chinatown - Der Kameramann John A. Alonzo" weit über den Anspruch einer bloßen Hommage hinaus. Sein Film ist auch ein Plädoyer, der Rolle des "Director of Photography" im Produktionsprozess größere Aufmerksamkeit und Anerkennung zu zollen. Mit John A. Alonzo hat er sich eines Vertreters der Zunft angenommen, der in den ewigen Bestenlisten gerne vergessen wird. Dabei hat in den Siebzigerjahren kaum ein anderer Kameraregisseur solch einen Einfluss auf die Ästhetik des New-Hollywood-Kinos gehabt wie Alonzo.

Alonzo war es, der die "handheld camera" in Hollywood etablierte; danach war das amerikanische Kino nicht mehr wiederzuerkennen. Später gehörte er zu den ersten Kameraleuten, die sich für die Entwicklung von HD-Technologie stark machten. Dass er auch menschlich eine Ausnahmeerscheinung war, zeigen die vielen Interviews mit Freunden und Kollegen des 2001 verstorbenen Alonzo. Unter ihnen sind William Friedkin, der mit Alonso seinen ersten Kurzfilm drehte, Sally Field und Richard Dreyfuss, außerdem zwei Filmstudenten, denen Alonzo bei ihrem ersten Film half. Alonzo, der erste Mann mit mexikanischem Hintergrund in der Gewerkschaft der Kameramänner, hat stets dafür gesorgt, dass junge Asiaten, Afroamerikaner und Latinos an seinen Sets arbeiteten.

Die Aussagen seiner Kollegen und alte Interviews mit Alonzo selbst vermitteln darüber hinaus das Bild eines passionierten Filmverrückten mit einem untrüglichen kinematografischen Blick. Zum Beleg unterlegt Schill die Ausführungen von Alonzos Kollegen mit zahlreichen Filmausschnitten, unter anderem aus "Fluchtpunkt San Francisco", "Harold und Maude", "Schwarzer Sonntag", "Norma Rae", "Scarface" und natürlich "Chinatown", Alonzos Meisterstück. Mit Hilfe der Szenen gelingt es, die Arbeitsweise sehr anschaulich zu vermitteln. Angesichts der Preise, die amerikanische Studios für die Zweitverwertung ihrer Filme aufrufen, grenzt die Materialfülle in "The Man Who Shot Chinatown" an ein Wunder.

Hierin liegt aber die Stärke der Dokumentation. Reden über das Kino ist ja ganz schön, aber am besten ist das Kino immer noch, wenn seine Bilder für sich allein stehen können und Hunger nach mehr erzeugen. In der Lebendigkeit von Alonzos Bildern kam das Kino wieder ganz zu sich selbst. Wie "The Man Who Shot Chinatown" zeigt, war er nicht bloß ein "Director of Photography", ein Arrangeur. John Alonzo fand das Kino, wann immer er durch den Sucher seiner Kamera blickte.

"The Man who shot Chinatown". Dokumentarfilm. Regie: Axel Schill. Deutschland/Großbritannien 2007, 77 Min.

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