Immaterielle Güter als Wirtschaftsgut: Wertschöpfungsketten des Kreativen

Die Konferenz "Herausforderung Kulturwirtschaft" in Berlin fragte nach: Was ist dran am Hype um "creative industries"?

In entindustrialisierten Städten gedeihen kulturwirtschaftspolitische Blütenträume: Lichtkunstwerk in Berlin Bild: dpa

Der Hype kommt aus Großbritannien. Dort hat vor zehn Jahren Tony Blair die creative industries als Industrien der Zukunft entdeckt. Ende letzter Woche fragte eine vom Hauptstadtkulturfonds geförderte Konferenz mit dem Titel "Herausforderung Kulturwirtschaft - Kulturpolitische Antworten und Strategien" in Berlin nun nach, was dran ist am Hype um das, was in Deutschland meist und etwas weniger sexy eben Kulturwirtschaft heißt.

Die Idee, die der neuen Begeisterung zugrunde liegt, ist einfach: Immaterielle Güter werden als Wirtschaftsgut zusehends wichtiger, und das bedeutendste immaterielle Gut ist die Kreativität von bildenden Künstlern, Literaten, Softwaredesignern etc. pp. Das auf den ersten Blick Schöne ist nun, dass die Wirtschaft, die aus systematischen Gründen von der intrinsischen Logik von Kunst nichts versteht, mit dem Begriff Kreativität sehr wohl etwas anzufangen weiß. Das, was Künstler im günstigen Falle haben - Einfälle nämlich - kann in den hoch geschätzten Begriff der Innovation übersetzt werden. Denn "schöpferische Zerstörung" (Schumpeter) und fortgesetzte Innovation, sagte der Unternehmensberater Dieter Haselbach in seinem Eröffnungsvortrag, gelten schließlich als Kern erfolgreichen kapitalistischen Wirtschaftens. Ökonomisch ausgemünzt wird der künstlerische Einfall allerdings in der dann juristisch auszuhärtenden Währung des "geistigen Eigentums". Auf die interessengeleitete Kunstwidrigkeit dieser von digitalen Realitäten gerade überholten Hilfskonstruktion machte jedoch einzig Andreas Broeckmann vom demnächst abgewickelten Berliner Kunstzentrum Tesla aufmerksam.

Insbesondere in entindustrialisierten, in verarmenden oder schrumpfenden Städten - Leipzig etwa, auch Berlin - gedeihen kulturwirtschaftlichspolitische Blütenträume. Den hippen Designer, die aufstrebende Galeristin, die smarte Postrockband, die unabhängige Filmproduzentin denkt man sich als flexible eierlegende Wollmilchsau, die "symbolisches" (Bourdieu) in reales Kapital transsubstantiiert und damit auch der Stadt Image und Kohle bringt. Die dazu freilich nötige erwerbswirtschaftliche Orientierung wird dann von Karriereberatung und BWL-Seminaren gelehrt, die in Zukunft an keiner Kunst- oder Musikhochschule mehr fehlen dürfen -, da war sich das entsprechende Panel mit Vertreterinnen aus dem Kulturmanagement, vom UdK Career Center und der Mannheimer Pop Academy einig. Die Kuratorin Adrienne Goehler, selbst durchaus eine Propagandistin der kulturwirtschaftlichen Flexibilisierung, wies nachdrücklich darauf hin, dass das, was dabei bisher entsteht, vor allem prekäre, trotz Künstlersozialkasse schlecht abgesicherte, am Rande des ökonomischen Abgrunds balancierende Patchworkexistenzen sind.

Die traditionelle kulturpolitische Lehre beschreibt in ihrem "Drei-Sektoren-Modell" drei Möglichkeiten, wie Kultur und Geld zueinanderzubringen sind: staatliche Förderung, gewinnorientiertes Kulturwirtschaften und Gemeinnützigkeit. Des Pudels Kern liegt nun in der Frage nach dem Verhältnis von Subvention und ökonomischer Gewinnorientierung. Neu ist ja nicht die Erkenntnis, dass es eine Kulturwirtschaft gibt. Neu ist auch nicht, dass der Staat in Verantwortung steht für die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen kulturwirtschaftlichen Schaffens. Neu ist eher eine Form des Übergriffs, ökonomische Rentabilitätskriterien - schleichend oder ausdrücklich -möglichst weit auch in den staatlichen Sektor vorzuschieben.

Effizienz ist der freundliche Name des trojanischen Pferds, aus dessen Innerm heraus dann mit Begriffen wie Nachfrageorientierung bisherige förderpolitische Autonomiegrundsätze attackiert werden. Verschleierungstaktiker versuchen, den Widerspruch zwischen Förderung und Gewinnorientierung in der Rede von "Wertschöpfungsketten" verschwinden und in behaupteten Umwegrentabilitäten - Sektverzehr in der Opernpause - aufgehen zu lassen. Vertreter der alten Schule wie Hajo Cornel, Abteilungsleiter im brandenburgischen Kulturministerium, insistieren dagegen auf dem gesellschaftlichen Kulturauftrag mit seinen marktfernen Subventionsnotwendigkeiten. Da wagte auf der Tagung kaum einer, ganz prinzipiell zu widersprechen. Das ändert freilich nichts daran, dass hergebrachte kulturpolitische Grundsätze gerade massiv unter Ökonomisierungsdruck geraten. EKKEHARD KNÖRER

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.