"Esra" kostet 50.000 Euro Schmerzensgeld: Tiefschlag für Maxim Biller

Wegen seines Romans "Esra" muss der Schriftsteller 50.000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Gleichzeitig betont das Gericht die Freiheit der Literatur.

Soooooooooo teuer wird das. Bild: dpa

Der Schriftsteller Maxim Biller (und sein Verlag Kiepenheuer & Witsch) müssen Billers Exfreundin Ayse R. Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 Euro bezahlen. Dies entschied gestern das Landgericht München I. Biller habe in seinem Roman "Esra" die Persönlichkeitsrechte der Exfreundin "schwerwiegend verletzt", so die Richter. Gegen das Urteil ist noch Berufung zum Oberlandesgericht München zulässig.

Der Roman schildert die unglückliche Liebesbeziehung des Schriftstellers Adam zu der Deutschtürkin Esra. Die Beziehung wird beeinträchtigt durch Esras eher wankelmütigen Charakter, ihre herrschsüchtige Mutter Lale sowie die schwere Krankheit von Esras Tochter. Billers Exfreundin Ayse R. und ihre Mutter Birsel L. erkannten sich in den Figuren wieder und erreichten ein Vertriebsverbot des Romans, das im vorigen Oktober auch vom Bundesverfassungsgericht bestätigt wurde. Das Verbot sei gerechtfertigt, weil Biller ausführlich das Sexleben der Exfreundin und eine schwere Krankheit ihrer minderjährigen Tochter beschrieben hatte, so Karlsruhe. Biller hätte die Personen besser verfremden oder auf die exakte Schilderung intimer Details verzichten müssen.

Das Münchener Landgericht musste nun entscheiden, ob Ayse R. nicht nur den Vertrieb des zunächst nur rund 1.000-mal verkauften Romans stoppen kann, sondern als Kompensation auch noch Schmerzensgeld bekommt. Im Dezember war wegen der intimen Details unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt worden. Gestern begründete das Gericht sein Urteil. Danach "sind weder das Intimleben noch das Mutter-Kind-Verhältnis legitime Gegenstände öffentlicher Erörterung". Das Landgericht blieb also ganz auf der Linie des Verfassungsgerichts. Verlagsjuristen wie Rainer Dresen von Random House hatten gehofft, dass das Gericht wegen der Abwägung mit der Kunstfreiheit "keine gravierende Verletzung" des Persönlichkeitsrechts annimmt. Nimmt man die Kosten für Vertriebsverbot und Schadensersatz zusammen, kann ein Roman mit entsprechenden Inhalten für einen Verlag und/oder Autor ziemlich teuer werden.

Das Verfassungsgericht hat aber mehrere Signale gegeben, die die Freiheit der Literatur betonen. Schon im "Esra"-Beschluss war betont worden, dass es keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts darstellt, wenn sich jemand in einem Roman einfach nur zu negativ porträtiert fühlt. Deshalb hatte auch der Verbotswunsch der Mutter von Billers Exfreundin keinen Erfolg. Auch über ihren Schmerzensgeldanspruch wurde gestern noch nicht entschieden.

Zwischenzeitlich hatte Karlsruhe in zwei weiteren Entscheidungen versucht, die Wogen weiter zu glätten. So lehnte es ein Verbot des Romans "Pestalozzis Erben" ab, in dem sich zwei Lehrer nachteilig dargestellt fühlten. Auch das Theaterstück "Ehrensache", in dem ein Mädchenmord verarbeitet wurde, blieb unbehelligt. Hier hatte die Mutter des getöteten Mädchens protestiert, weil ihr Kind als moralisch haltlos dargestellt wurde.

In beiden Fällen betonte das Verfassungsgericht, dass ein literarisches Werk "zunächst als Fiktion anzusehen ist, das keinen Faktizitätsanspruch erhebt". Diese Vermutung gelte auch, wenn erkennbar reale Vorbilder verarbeitet wurden. Selbst die Darstellung der Sexualität des ermordeten Mädchens wurde nicht beanstandet, weil der Autor, der die Getötete nicht kannte, nicht den Anschein von Authentizität zu erwecken versuchte.

Insofern war wohl der Fehler von Biller, dass er faktisch wie ein Reporter über die reale Sexualität seiner Exfreundin zu berichten versuchte - oder zumindest diesen Eindruck erweckte.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.