Zwei Filme aus Israel: Belanglos und unverbindlich

Schauplatz Israel: Der Film "Tehilim" von Raphaël Nadjari zeigt eine Familie in der Krise. Und "Jellyfish" von Edgar Keret und Shira Geffen bleibt demonstrativ beiläufig.

Was "Jellyfish" uns sagen will: Unser aller Leben sind miteinander verknüpft. Bild: Arsenal

Ein Tag, scheint es, wie jeder andere im Leben einer Familie in Jerusalem. Eli Frankel (Shmuel Vilozni) fährt seine zwei Söhne zur Schule. Plötzlich aber kommt das Auto von der Straße ab, und der auf den ersten Blick nicht besonders schwer verletzte Vater schickt den älteren Sohn Menachem (Michael Moshonov), Hilfe zu holen. Als der zurück an die Unfallstelle kommt, ist der Vater verschwunden, keiner weiß, wie und wohin, und er taucht auch nicht wieder auf.

Denkbar unspektakulär schildert Raphaël Nadjari in "Tehilim - Psalmen" diesen Unfall, ähnlich undramatisch erzählt er im Rest des Films von der Krise, in die die Familie des Verschwundenen in der Folge gerät. Er konzentriert sich dabei auf den älteren Sohn Menachem, einen Teenager, der schon ohne den Vaterverlust hin und her gerissen ist zwischen seinen orthodoxen Verwandten, seiner vor der Familie geheim gehaltenen Freundin und einem ziemlich schweren Fall von Pubertät.

"Tehilim" zeichnet das Verschwinden des Vaters nicht als schockartige Katastrophe. Eher scheint es, als würden dadurch nur die Risse geweitet, die zwischen den Verwandten unausgesprochen längst existierten. Menachems Großvater und der Bruder des Vaters treffen sich regelmäßig zur Bibelstunde, wo sie religiöse Detail- und Grundsatzfragen diskutieren. Sie kümmern sich, aber mit ihren Ratschlägen gehen sie Alma (Limor Goldstein), der Frau des Verschwundenen, auf die Nerven, sie schickt sie aus dem Haus. Dringenderes ist zu tun: Sie muss herausfinden, wie sie Zugriff auf die seit dem Verschwinden des Mannes gesperrten Familienkonten bekommt.

Der französische Regisseur Raphaël Nadjari führt Reaktionsformen auf ein nicht begreifliches Geschehen vor, bleibt dabei allerdings arg schematisch. Er erzählt diese Geschichte weitestgehend mit der Handkamera (Laurent Brunet) - und ist paradoxerweise doch sichtlich bemüht, seinen Figuren nicht zu nahe zu kommen. Das geht auf die Dauer sehr auf Kosten der offenkundig gewünschten Intensität. "Tehilim" beginnt aufregend und wird belangloser, je länger er dauert.

Das israelische Kino hat derzeit eine erstaunliche Präsenz auf westlichen Leinwänden. Das Drama "Beaufort" um das Ausharren israelischer Soldaten auf verlorenem Posten nahm am Berlinale-Wettbewerb des vergangenen Jahres teil und war zuletzt für den "Oscar" nominiert. Außerdem läuft die Komödie "Die Band von nebenan" gerade in unseren Kinos.

Anders als diese Filme hat "Tehilim" aber keinen expliziten politischen Hintergrund. Dasselbe gilt für Shira Geffens und Edgar Kerets in der nächsten Woche startende filmische Kurzgeschichtensammlung "Jellyfish". Sie spielt im heutigen Tel Aviv, tut geradezu demonstrativ alltäglich und beiläufig, zielt in Wahrheit aber immer aufs allgemein Menschliche.

Als Zentrum, um das herum die anderen Geschichten gruppiert werden, fungiert die Begegnung der von privaten Krisen gebeutelten Kellnerin Batya (Sarah Adler) mit einem stummen kleinen Mädchen. Dieses Mädchen taucht aus dem Ozean auf und trägt einen Schwimmring, von dem sie sich so wenig trennt, wie Batya von ihren Kindheitserlebnissen loskommt. Mit einem Wort: Dies Mädchen, das bei ihr einzieht, ist ihr auf die Vergangenheit fixiertes Selbst, von dem zu lösen der Film ihr aufträgt.

Um dieses simpel aussymbolisierte Zentralstück fügen sich passend die anderen Geschichten mit weiteren schweren Zeichen. Serviert werden sie dem arglosen Zuschauer von dem Film, der unbeschwert tut, mit der tänzelnden Leichtigkeit eines übergewichtigen Boxers. Erzählt wird von einem Ehepaar auf Hochzeitsreise, die Frau hat einen lustbeschwerenden frisch erworbenen Gips am Bein. Auf der Hoteltreppe begegnet der Mann einer anderen Frau, die reif und schön ist, aber auch Suizidpotenzial in ihrem Innern birgt.

Daneben gibt es ein Mutter-Tochter-Drama mit ärgerlich klischierter Theatereinlage und ein Rührstück um dieselbe Mutter mit weichem Kern hinter rauer Schale und ihre thailändische Pflegerin. Gelegentlich begegnen Figuren aus den verschiedenen Geschichten einander. In einem Film, in dem einfach alles etwas - und nie etwas sonderlich Kompliziertes - zu bedeuten hat, soll das wohl heißen: Unser aller Leben sind miteinander verknüpft. Irgendwie wahr. Irgendwie aber auch einfach genauso ein unverbindlicher Quatsch wie alles in "Jellyfish".

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