Alles unter Strom

Peter Raue geht, Christina Weiss kommt. Wechsel im größten Kunstförderverein Berlins

Ja, der Mann hat Berlin geprägt. Ohne seinen Verein wäre es wohl nie so schick geworden, in eine Ausstellung schon allein deshalb zu wollen, weil der Andrang groß und das Hineinkommen schwierig ist. „Das MoMA in Berlin“, „Die schönsten Franzosen kommen aus New York“, „Goya“, all diese Blockbuster wären ohne das Geld, den Handlungsspielraum und das Marketing des Vereins der Freunde der Nationalgalerie kaum in die Berliner Museen gekommen. Peter Raue, der den Freundeskreis 1977 gegründet hat, verabschiedete sich am Montag nach mehr als 30 Jahren. Christina Weiss, Kulturstaatsministerin a. D., folgt ihm als Vorsitzende des Vorstands.

Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz durfte Raue sich selbst noch einmal tüchtig loben. Von der frühen Mitgliederwerbung erzählen, als ein Engagement bei den „Freunden“ in Westberlin ein politisches Bekenntnis zur ummauerten Stadt war. Sich an die heroischen Zeiten erinnern, als der Ankauf eines Bildes von Barnett Newman nur gegen ein kunstfeindliches Klima durchzusetzen war. Und die Erfolge des Vereins in schwindelnden Zahlen aufeinandertürmen: In 30 Jahren 120 Erwerbungen, die jetzt gut 100 Millionen Euro wert sein könnten, mehr als 60 Ausstellungen organisiert und die Gewinne aus den großen Projekten auch in Kunst und Künstler investiert, die nicht als kommerzielles Zugpferd taugen. Peter-Klaus Schuster, noch bis Oktober Direktor der Nationalgalerie, und Christina Weiss saßen daneben und nickten.

Und stiegen dann, statt Raues Instinkt für die gelungene Kunstinvestition ein wenig nachzuweinen, in die Ankündigung des Programms ein, mit dem wiederum Schuster seinen eigenen Abgang von den Museen knallig und vernehmbar zu feiern gedenkt. Mit einem Bündel von 10 Ausstellungen, gleich in fünf Museen: Paul Klee, Jeff Koons, Beuys, Warhol, Kippenberger und mehr werden dann unter dem peinlich anbiedernden Titel „Kult des Künstlers“ segeln müssen. Mitgefördert von einem, der zur Pressekonferenz über den Vorstandswechsel ebenfalls auf das Podium eingeladen war: Wulf Bernotat. Der Vorstandsvorsitzende des Stromkonzerns Eon gab in schönstem Sponsorendeutsch seiner Freude über das kulturelle Engagement seines Konzerns in Berlin Ausdruck. Schließlich, das sagte er aber nicht, braucht Eon einen anderen Kontext der Firmenwahrnehmung als den Ärger über steigende Strompreise und Unternehmensgewinne.

Na ja, was soll man sagen? Allein von der Rhetorik und vom sprachlichen Witz her wird man Raue vermissen. Auch, weil man sich nicht erinnern kann, dass er je versucht hätte, zugleich mit den Erfolgen der „Freunde“ die Unternehmen der Vereinsmitglieder zu loben. Kaum inthronisiert, tat Christina Weiss dies sofort.

Weiss, die in der Zeit als Senatorin in Hamburg einen Leitfaden über Sponsoring und das Knüpfen von gemeinschaftlichen Interessen zwischen Staat und Wirtschaft im kulturellen Engagement geschrieben hat, ist geübt darin, Kunst in jene Floskeln zu verpacken, die als Imagegewinn gehandelt werden können. Kann sein, dass diese Fähigkeit notwendig ist, um Förderung weiter auf dem hohen Niveau des Vereins der Freunde der Nationalgalerie zu halten.

KATRIN BETTINA MÜLLER