Reismangel auf den Philippinen: Korn mit Seele

Reis ist auf den Philippinen eine Art Gesellschaftsfundament. Doch viele Reisfelder sind in den letzten Jahren für Shopping Malls und Golfplätze geopfert worden.

Reserven im staatlichen Reislager von Quezon City. Bild: ap

Filipinos essen dreimal täglich Reis - zum Frühstück, Mittag- und Abendessen. Man isst ihn gekocht, gebraten, mit anderen Zutaten sautiert und gelegentlich sogar geröstet. Wie in den meisten Ländern Asiens ist Reis in den Philippinen das Grundnahrungsmittel Nummer eins, eine Art Gesellschaftsfundament.

Nach einem philippinischen Sprichwort hat jedes Reiskorn eine Seele, und wehe, man lässt auch nur eine dieser armen Seelen auf dem Teller zurück! So wie in Europa einst das Brot (oder der Mangel daran) ein Auslöser für Hungerrevolten und Regierungsumstürze war, so kann man heute in den Philippinen mit Reismangel tiefsitzende Ängste schüren. Wenn darum in der Zeitung steht, dass es für dieses Jahr nicht genug Reisvorräte gibt, bedeutet das für viele Filipinos: Alarmstufe Rot!

Dass die krisengeschüttelte Regierung von Präsidentin Gloria Macapagal-Arroyo nicht einmal die Reisversorgung der Bevölkerung sichern kann, ist in den Augen vieler Filipinos das eklatanteste Zeichen ihrer Unfähigkeit. Regierungsvertreter empfehlen inzwischen schon den Fast-Food-Ketten, die Reisportionen - die es zu jedem Hamburger oder Hähnchenschlegel gibt - zu halbieren, sie würden oft nicht aufgegessen.

Wegen ineffektiver Landwirtschaft können die Philippinen ihren Reisbedarf nicht selbst decken. Und viele Reisfelder sind in den letzten Jahren für Shopping Malls und Golfplätze geopfert worden. Um sicherzustellen, dass auch die Ärmsten der Armen im Lande genug zu essen bekommen, importieren die Philippinen jährlich ein Kontingent Reis, das von Behörden verteilt wird. Das Budget dafür übertrifft das der Armee oder der Nationalpolizei. Aber wegen gestiegener Weltmarktpreise für Reis ist in diesem Jahr die staatliche Reisversorgung nur bis Anfang November gesichert.

Präsidentin Arroyo ist bereits nach Vietnam gereist, um Reislieferungen zu erbitten. Aber die Vietnamesen ließen sie wissen, dass sie in diesem Jahr gerade genug Reis für die eigene Bevölkerung haben und kaum etwas abgeben können. Auch in Kambodscha hat Premierminister Hun Sen gerade jeden weiteren Reisexport untersagt, um die Versorgung seines Landes zu sichern. Die diesjährige Reisernte von Thailand und China ist schon ausverkauft, bevor sie überhaupt eingebracht wurde.

Die Situation in den Philippinen gibt einen Vorgeschmack auf die Verteilungskämpfe um Grundnahrungsmittel, die in den nächsten Jahrzehnten zum politischen und ökonomischen Alltag werden könnten. Je schneller die Weltbevölkerung wächst und je größer ihr Appetit wird, desto knapper dürften Lebensmittel des täglichen Bedarfs wie Reis oder Korn werden. In China oder Indien, in denen Teile der Gesellschaft zu relativem Wohlstand gelangt sind, isst man immer mehr und reichhaltiger. Die Armen - etwa die Hälfte der philippinischen Bevölkerung muss von weniger als einem US-Dollar pro Tag leben - können sehen, wie sie ihren Kochtopf füllen. Da hilft wohl nur noch, auf einen alten Plan des philippinischen Diktators Ferdinand Marcos zurückzukommen, der jahrelang die Züchtung eines "Wunderreises" ankündigen, welcher die Philippinen unabhängig von Reisimporten machen sollte.

In den Gourmet-Restaurants der philippinischen Hauptstadt Manila wird indessen weiter geschlemmt. Von einem Mangel an Foie gras oder Haifischflosse war bisher noch nichts zu bemerken.

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