Musikproduzent Larry Gold im Interview: "In Soul steckt Wahrheit"

Der Produzent und Cellist Larry Gold hat mit seinem Schwager Daniel Felsenfeld die "Dresden Soul Symphony" arrangiert und in eine Orchesterfassung gebracht.

Der R&B-Sänger Dwele mit einer Geigerin des MDR-Sinfonieorchesters bei den Proben in Dresden. Bild: marco prosch

Der 60-jährige LARRY GOLD zählt zu den prominentesten amerikanischen Soul- und Pop-Produzenten. In seinem Studio in Philadelphia nahmen bereits Stars wie Justin Timberlake, Mariah Carey oder the Roots Alben auf. Gold, der gelernte Cellist, arbeitet auch als Arrangeur und verhalf Songs wie "The boy is mine" (Brandy&Monica) oder "If you had my love" (Jennifer Lopez) zum internationalen Durchbruch. Golds Wurzeln liegen in der Philly-Soul-Szene. In den Siebzigerjahren war er Teil des 28-köpfigen Soulorchesters MFSB, das für das heranbrechende Diskozeitalter in Songs wie "Love is the Message" den musikalischen Grundstein legte. Schwarze und weiße Musiker spielten im MFSB Seite an Seite.

Die "Dresden Soul Symphony" konzipierte Larry Gold zusammen mit seinem Schwager Daniel Felsenfeld während sechs Monaten. Sie wählten dafür 20 Songs aus, schrieben für diese Streicherarrangements und fügten die Songs in vier Sätzen mit unterschiedlichen Tempi. Neben den Soulsängern (siehe gegenüberliegenden Artikel) spielt das MDR-Sinfonieorchester unter dem Dirigenten Jun Märkl, verstärkt von einem Kinderchor und einer Backing Band.

"The Dresden Soul Symphony",

Dresden, Alter Schlachthof, Samstag, 26. April und Sonntag, 27. April

taz: Mr. Gold, zusammen mit Ihrem Schwager Daniel Felsenfeld haben Sie eine "Soul-Symphony" konzipiert. Wer von Ihnen hat welche Aufgabenfelder belegt?

Larry Gold: Daniel ist die Symphony und ich bin der Soul. Er hat die Songs in eine sinfonische Struktur eingebettet, ich habe die Songauswahl getroffen und die Orchester-Arrangements besorgt. Viele dieser Songs hatten vorher überhaupt kein Orchesterarrangements, sie sind extra für den Anlass entstanden.

Ich war schon auf vielen Popkonzerten, bei denen Orchester spielten, aber eigentlich überflüssig waren. Das wird bei der "Dresden Soul-Symphony" ganz anders. Das Orchester wird den Groove spüren und sich maximal in die Songs einbringen. Die Streicher sind nicht zum Vergnügen da.

Nach welchen Kriterien haben Sie die Songs für die "Dresden Soul Symphony" zusammengestellt?

Gold: Ich habe Lieder ausgewählt, mit denen ich vertraut bin. Meine Lieblingsperiode im Soul erstreckt sich von den Sechzigern bis in die Siebzigerjahre. "Midnight Train to Georgia" von Gladys Knight war unsere Hymne.

Warum ist dieser Song das wiederkehrende Thema ihrer Symphony?

Daniel Felsenfeld: Er ist mächtig. Erst einmal geht es nur ganz abstrakt um eine Frau, die den Nachtzug nach Georgia nimmt. Aber der Zug ist in der schwarzen Kultur ein wichtiges Symbol für den Aufbruch. Dafür, das Leben auch unter widrigen Umständen weiterzutreiben, und sei es an einem anderen Ort. Musikalisch drückt das die Melodie aus, die unglaublich elegant unter der Gesangsharmonie hinwegrollt.

Gold: Motown-Soul im Allgemeinen und Gladys Knight im Speziellen waren Vorbild für uns in Philadelphia. Daneben habe ich natürlich auch Standards anderer Stars von Ray Charles über James Brown bis Minnie Ripperton ausgewählt. Und natürlich Songs, an deren Aufnahmen und Streicherarrangements ich in den Siebzigern selbst beteiligt war. "Me and Mrs. Jones" von Billy Paul zum Beispiel, oder "The Sound of Philadelphia" von MFSB, ich kenne diese Musik im Detail.

Was macht sie so besonders?

Gold: Sie verkörpert Soul, aber ebenso gut versteht man sie auf der ganzen Welt. Wissen Sie, die amerikanische Kulturgeschichte hat zwar erst 150 Jahre auf dem Buckel, aber die Tatsache, dass einige der Songs aus der Symphony 30 Jahre oder älter sind, gibt ihnen ein gewisses Format.

Was bedeutet Soulmusik überhaupt?

Gold: Historisch betrachtet, würde ich sagen, Soul hat in seinem Kern immer ein Körnchen Wahrheit. Es geht darum, mit der Musik ein Statement abzugeben, egal, ob das mit Liebe oder mit Politik zu tun hat. Und dann muss ein Soulsong dieses Gefühl möglichst einschmeichelnd ausdrücken, so dass es bei abertausenden Leuten hängen bleibt.

Wie kamen Sie als weißer Junge in den Sechzigern überhaupt zum Soul und zu ihrem Spitznamen Don Cello?

Gold: Das war ein glücklicher Zufall. Ich bin in einem armen Vorort von Philadelphia aufgewachsen. Meine Eltern führten einen Eisenwarenladen. Sie waren total unmusikalisch. Trotzdem habe ich das absolute Gehör entwickelt. Angefangen habe ich auf der Gitarre als Fünfjähriger, ich spielte damit zu den Songs aus dem Radio. Der Gitarrenlehrer überredete meine Mutter, dass ich zur Violine wechseln sollte, aber dann habe ich mich für das Cello entschieden, es war das größte Instrument, das rumstand. So ging das immer weiter. Alle meine Freunde in den Sechzigern machten Musik und nahmen Platten auf. Davon habe ich auch geträumt. Plattenmachen in Philadelphia ist gleichbedeutend mit Black Music. Wir machen eben solche Platten. Irgendwie kann ich davon auch nicht genug kriegen, denn Black Music begleitet mich jetzt schon mein ganzes Leben. Der Rapper Jay-Z hat mich eines Tages Don Cello genannt.

Was ist das Markenzeichen des Sound of Philadelphia?

Gold: Philadelphia ist immer eine Soulstadt gewesen, aber eben mit multiethnischen Wurzeln. Es gibt ein Konservatorium, aus dem sich schon in den Siebzigern die Sessionmusiker für den Philly-Soul rekrutierten. Wir hatten hier aber immer sehr talentierte schwarze Songschreiber. Gamble und Huff sind nur die bekanntesten. Ich denke, ihr Wirken kann auf den Gospelsound aus den Kirchen zurückgeführt werden. Das ist heute auch noch so. Nehmen sie die Sängerin Jill Scott. Die ist nie ein Teenstar gewesen. Sie kommt aus der Kirche, schreibt heute ihre eigenen Songs und wird als erwachsene Soulsängerin ernst genommen. Auch Bilal, der in Dresden singen wird, hat diesen Karriereweg durchlaufen. Natürlich gibt es den Philly-Soul der alten Tage heute nicht mehr in dem Maße wie früher.

Aber wir haben immer noch sehr viel junge Talente hier, ich nenne ihnen als Beispiel die Hiphop-Band The Roots. Philadelphia hat nach wie vor Anziehungskraft. Ich führe seit langen Jahren ein Studio, in das Stars wie Justin Timberlake, R. Kelly oder Mariah Carey zum Aufnehmen kommen. Sie sehen also, Plattenmachen ist mein Leben.

Und was ist dabei die wichtigste Erkenntnis?

Gold: Achten Sie darauf, dass Sie anständig bezahlt werden, denn es handelt sich um das Musikgeschäft.

INTERVIEW: JULIAN WEBER

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.