Und ihre Musik ist gut

Eintagsfliegen sehen anders aus: Vampire Weekend, schnöselige New Yorker Konsensband der Stunde, brachten die Maria am Ostbahnhof mit humorvollem Ansatz näher an die Tropen

VON RENÉ HAMANN

Was wurde eigentlich aus Paul Simon? Sitzt er mit Peter Gabriel träge auf einer Veranda im Süden und raucht komisches Kraut? Oder bereist er Asien, auf der Suche nach Inspiration für den dritten Teil – Afrika und Südamerika sind schon verarztet – seiner großen Weltmusiksaga? Bekommt er überhaupt mit, dass sein Name wieder hoch gehandelt wird? Dass er Jünger gefunden hat, die sich auf sein Weltmusik-Superpop-Album „Graceland“ von 1986 beziehen?

Was ja wirklich erstaunlich ist, denn Paul Simon mochte man damals, als sein Song „15 Ways to Leave Your Lover“ in Muttis Dudelfunk lief und der Komiker im Video zu „Call Me Al“ so lustig war. Danach musste man sich eher schämen, weil Simon mit Art Garfunkel leichtgängige Folkmusik für die Elterngeneration machte. Man musste schon über die Umwege Cinéphilie („Die Reifeprüfung“!) und Popgeschichte („Sounds of Silence“ ist ja wirklich eine tolle Platte!) kommen, um mit Simon wieder etwas warm zu werden.

Und jetzt also das. Vampire Weekend, vier junge Polohemdenträger aus New York, beziehen sich auf diesen alten Weltmusikretter. Wobei die Band natürlich nicht seinen Dudelfunkpop aussaugt, sondern ihre Afrobeat- und Karibikeinflüsse mit Indierock und Punk/Wave vermischt. Dass Ezra Koenig und Co. eher schlaumeiernde Schnösel sind, die mit ihrem privilegierten Hintergrund offensiv umgehen – geschenkt. Hauptsache, ihre Musik ist gut.

Und ihre Musik ist gut, wie am Donnerstagabend in der überfüllten und angemessen tropisch heißen Maria am Ostbahnhof zu erleben war. Die schlauen Jungs auf der Bühne schienen eitel zu sein. Trotz schneidender Luft sahen alle ganz gut aus.

Eröffnet wurde mit „Mansard Roof“, dem Auftaktsong ihres Anfang des Jahres erschienenen Debütalbums. Überhaupt durfte man gespannt sein, wie sie die Feinheiten, die Stringarrangements und komischen Instrumente, übersetzen würden. Und natürlich, wie lange Vampire Weekend spielen würden, die Platte ist schließlich nur 40 Minuten lang.

Um es gleich zu sagen: Die komischen Instrumente steckten in den Samples von Keyboarder Rostam Batmanglij. Der Sound war insgesamt sehr ähnlich wie auf Platte, dank des sehr akzentuierten und energischen Bassspiels Chris Baios und der Gesangsvarianten von Ezra Koenig jedoch verdammt mitreißend. Zum Hit „A-Punk“ und anderen Stücken wurde sogar Pogo getanzt! Dabei war es in der Maria schon heiß genug.

Das Besondere an Vampire Weekend ist aber nicht nur der für Indierockverhältnisse überraschende, eröffnende Zugang zur Weltmusik, zum Calypso oder zum Afrobeat, sondern auch der humorvolle Ansatz.

Koenig am Mikrofon muss nicht posen, Koenig macht ein paar Breaks, die zu den vielen, schlauen Breaks der Musik passen, hebt mal kurz den Zeigefinger, um ein stakkatohaftes „Oh!“ zu shouten, singt mit dem Publikum Call and Response. Und das reicht schon, um alle auf seine Seite zu ziehen. Tatsächlich sollen Koenig und Drummer Chris Tomson zunächst als Comedy-Duo unterwegs gewesen sein. Bevor sie den Rest der Band auf dem Campus trafen.

Um die knappe Stunde voll zu machen, hatten Vampire Weekend auch zwei neue Stücke dabei. Das eine war ein fetzig durchbrochenes Punkstück, das andere eine Afrobeat- oder Rai-Nummer mit Beatbox. Beide geil. Dass Vampire Weekend eine Eintagstsetsefliege mit guten Ideen fürs erste und nicht mehr so guten fürs zweite Album werden, steht also nicht zu befürchten. Vielleicht kommt auch Paul Simon mal dazu, ihr Album zu hören.