Eine strategische Partnerschaft

PRO: Wenn es dem Klimaschutz dient, dürfen Umweltverbände auch mit der „Bild“-Zeitung ein Bündnis schließen. Schließlich tun sie es nicht unreflektiert und unkritisch

„Licht aus!“, fordert Bild derzeit von seinen Lesern – unterstützt von WWF, BUND und Greenpeace. Macht so eine Kooperation Sinn, wie Marlehn Thieme vom Nachhaltigkeitsrat meint? Oder ist sie leichtsinnig, wie Christoph Schultheis vom BILDblog urteilt. Kann man mit „Bild“ die Erde retten? Mehr dazu: www.taz.de/grossefragen. Reden Sie mit unter www.taz.de/leserforum!

Früher war die Welt noch überschaubar und die Fronten waren klar: Da standen auf der einen Seite die Guten, dort die Bösen. Die einen waren Umweltschützer, die anderen Umweltverschmutzer. Da taten sich die Nichtregierungsorganisationen zusammen, dort firmierten die Multis.

Heute laden Energiekonzerne zum Klimakongress ein. Nobelpreisträger lassen sich für ihre Mahnungen an die Menschheit bezahlen, etwas gegen den Klimawandel zu tun. Heute plant eine internationale Fastfood- Kette, deren Essen noch vor gar nicht allzu langer Zeit als imperialistisches Junkfood gegeißelt wurde, eine Öko-Kampagne mit einer Nichtregierungsorganisation, die sich „Conservation International“ nennt.

Eine ähnliche Allianz machte Deutschland im Frühjahr dieses Jahres staunen. Die Bild-Zeitung hatte eine Klimakampagne gestartet, zusammen mit dem BUND, WWF und Greenpeace. „Greenpeace springert!“ und „Zerreißprobe für die Umweltbewegung“ schallte es.

Darf man sich als kritische Organisation mit einem Massenblatt einlassen, das bislang nicht gerade als Umweltschützer aufgetreten war? Manche Kritiker erinnerten an die Anti-Ökosteuer-Stimmungsmache der Zeitung: „Ökosteuer? – Ich hup’ euch was“. Kann der Feind wirklich zum Freund werden?

Ich meine, ja. Es ist gerade gut, nicht im eigenen Saft zu schmoren. Auch dem „Meinungsgegner“ muss man einen Gesinnungswandel zugestehen. Der Grundsatz „in dubio pro reo“, im Zweifel für den Angeklagten, muss auch für die gelten, an deren Motivation manche zweifeln und die verborgene Hintergedanken wittern. Das gilt auch für Medien wie die Bild-Zeitung.

Zudem ist eine neue Liaison wie die Klimakampagne noch keine Dauerbeziehung. Und eine neue Liaison muss nicht blind und kritiklos für den Partner sein. Als Anwältin für den Klimaschutz kann ich sehr wohl kritischer Leser der Bild-Zeitung bleiben und dennoch die starken Seiten für wichtig erachten und nutzen – etwa die hohe Verbreitung und damit Einflussmöglichkeit der Bild-Zeitung. Immerhin erreicht die Bild-Zeitung etwa zehn Millionen Menschen und damit nun auch die Umweltschutzverbände mit ihren Ideen zum Klimaschutz. Sollte die „Mitmachaktion“ erfolgreich sein, könnten bis Ende diesen Jahres 3,5 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden.

Macht sich der Umweltschutz dadurch unglaubwürdig? Nein, denn das Anliegen verändert sich dadurch nicht. Das Instrument der Kommunikation ist vielleicht ungewöhnlich. Oder einfacher gesagt: die Bild-Zeitung im Verbund mit Umweltschützern ist eine Überraschung und ein Signal, wenn auch für einige gewöhnungsbedürftig, in einem Mainstream angekommen zu sein.

Doch: Was ist dagegen einzuwenden, wenn Bild ihre Leser dazu auffordert, das Klima zu schützen, dazu beizutragen, dass Energie gespart wird, dass nachhaltiger mit Ressourcen umgegangen wird, dass darüber nachgedacht wird, ob der nächste Urlaub wirklich mit dem Flieger gemacht werden muss?

Marlehn Thieme, geboren 1957, ist Mitglied im Rat für Nachhaltige Entwicklung, Mitglied des Rates der Evangelischen Kirche und Direktorin der Deutsche Bank AG.

Nichtsdestotrotz stehen vor allem Politik und Wirtschaft in der Pflicht. Die Bürde des Klimaschutzes darf nicht auf den Schultern der Bürgerinnen und Bürger allein abgeladen werden. Die Energiesparlampe im Haushalt ist gut, sehr gut als Zeichen eines gewandelten Bewusstseins. Aber sie ersetzt nicht eine konsistente Nachhaltigkeitsstrategie der Regierung und nicht nachhaltiges Handeln der Wirtschaft, mit möglichst konkreten Zielen, die Transparenz über Erfolg oder Misserfolg ermöglichen und damit Glaubwürdigkeit schaffen.

MARLEHN THIEME