Der Gewinner ist „Bild“

CONTRA: Umweltverbände sollten nicht mit der „Bild“-Zeitung zusammenarbeiten. Denn: Wer „Bild“ kennt, dem kann sie nur suspekt sein – und jeder, der mit ihr kooperiert

„Licht aus!“, fordert Bild derzeit von seinen Lesern – unterstützt von WWF, BUND und Greenpeace. Macht so eine Kooperation Sinn, wie Marlehn Thieme vom Nachhaltigkeitsrat meint? Oder ist sie leichtsinnig, wie Christoph Schultheis vom BILDblog urteilt. Kann man mit „Bild“ die Erde retten? Mehr dazu: www.taz.de/grossefragen. Reden Sie mit unter www.taz.de/leserforum!

Wer mit dem Feuer spielt, kommt darin um. Und wer sich mit Bild einlässt? „Für die Bild-Zeitung gilt das Prinzip: Wer mit ihr im Aufzug nach oben fährt, der fährt auch mit ihr im Aufzug nach unten“, hat Springer-Chef Mathias Döpfner mal gesagt – und hinzugefügt: „Diese Entscheidung muss jeder für sich selbst treffen.“ WWF, BUND und Greenpeace haben sich dennoch entschieden, gemeinsam gemeinsame Sache mit Bild zu machen. Viel Spaß!

Die Geschichte der Bild-Zeitung ist voll von Geschichten wie dieser: Bild verspricht das Blaue vom Himmel, schmust und kuschelt, egal mit wem. Das gehört zum Job. Ob Opfer oder Täter, Prominenter oder Nachbar, Partei, Verein, Verband, Verbund – der Ruf der Bild ist schlecht, und Bild ist gut darin, zumindest kurzzeitig vom Gegenteil zu überzeugen. Zur Not mit Auflage und Meinungsmacht: „BILD wird jeden Tag von mehr als elf Millionen Menschen gelesen. Vom Bundeskanzler bis zum Bauarbeiter“, heißt es in einer Bild-Selbstbeschreibung – und weiter: „BILD ist jeden Tag 100 Überraschungen.“

Eine davon könnte sein, dass Bild sich als unzuverlässiger Partner entpuppt. Donnerstags freut sich Bild mit Caroline Beil über deren Liebesbekenntnis zu einem 16 Jahre jüngeren Mann, und samstags schon titelt dieselbe Zeitung an derselben Stelle: „Caroline Beil – Die dunkle Vergangenheit ihres Neuen – Schwere Vorwürfe der Ex-Freundin!“ Wenn es Bild passt, wird eine PDS-Abgeordnete auch schnell mal zur „sexy Sächsin“, von der Bild angeblich „gerne auch etwas freizügigere Fotos geschossen“ hätte; wenn nicht, wird dieselbe Abgeordnete „Verliererin“ des Tages.

Am Ende des Tages steht stets nur ein Gewinner fest: Bild.

Und jetzt tut sie halt auch mal etwas fürs Klima, lässt Aufkleber drucken („Rettet unsere Erde. Ich mache mit!“), wirbt für wohlfeile Unsinnsaktionen wie „Klima retten, Traumhaus gewinnen!“ oder, ganz aktuell, für ein „Licht aus! Für unser Klima“-Happening – wer will, schaltet am 8. Dezember um 20 Uhr für ganze fünf Minuten das Licht aus, nach fünf Minuten wieder an, und Pro7 überträgt live und in Farbe. So steht das dann auf Seite 1. Und am selben Tag steht in der Bild-Zeitung auf Seite 2 ein großes BILD-Interview mit dem Lufthansa-Chef unter der Überschrift: „Wer die Umwelt liebt, der fliegt!“

Sollen wir Bild dankbarer sein für Schlagzeilen wie „Klima-Sensation: Wie kommt Flipper in die Ostsee?“, „Klima-Studie! Atomkraftwerke sollen länger laufen“, „Klima-Alarm nur Öko-Lüge?“ und „Der Wassermangel treibt sie zu uns: Jetzt kommen die Klima-Flüchtlinge“, bloß weil Bild sich zu den Umweltschützern ins Boot gesetzt hat?

Sind all die Persönlichkeitsrechtsverletzungen, Lügen und Kampagnen weniger schlimm, wenn Bild im Gegenzug öfter als sonst das Greenpeace-Logo herzeigt? Oder andersherum: Sollen wir Greenpeace etwa besser finden, weil die jetzt mit Bild kooperieren? Oder weil jetzt sogar Bild mit denen kooperiert? Absurd.

Wer Bild kennt, dem sollte sie suspekt sein – und jeder, der mit ihr kooperiert. Mein Güte: Bild-Leser werden sich jetzt statt „Benzin-Wut: Ich hab die Schnauze voll!“ oder „Öko-Steuer: Ich hup' euch was!“ eben „Rettet die Erde“ auf die Heckklappe kleben. Auf den Bild-Leser ist Verlass, egal ob Bild ihnen „104 nagelneue, umweltfreundliche Prius mit Hybridmotor im Gesamtwert von über 2,5 Millionen Euro“ oder „100.000 Liter Gratis-Benzin“ spendiert.

Christoph Schultheis, geboren 1966, ist verantwortlich für das „Bild“-kritische Internetangebot BILDblog.de. Für seine Arbeit erhielt er 2005 den Grimme-Online-Award.

Wenn uns aber der Klimaschutz eines Tages tatsächlich wichtig ist, wird bei Bild kein Tag vergehen ohne gute Ratschläge, „Licht aus“-Aktionen und Panikmache – auch ohne WWF, BUND und Greenpeace.

CHRISTOPH SCHULTHEIS