Kommentar Irland: Der Teflon-Premier am Ende

Premier Ahern stolpert über seine privaten Finanzen. In Irland nichts Ungewöhnliches - Steuerhinterziehen ist dort bei den Reichen und Mächtigen an der Tagesordnung.

Das war selbst für "Teflon-Bertie" zu viel. Irlands Premierminister Bertie Ahern, der seinen Spitznamen der Tatsache verdankt, das bisher keine Kritik an ihm haften blieb, ist über Unregelmäßigkeiten bei seinen persönlichen Finanzen gestürzt. Überraschend ist das nicht. Irische Politiker haben schon immer gerne abkassiert, allen voran Fianna Fáil, die "Soldaten des Schicksals". Sie sehen sich weniger als Partei denn als "nationale Bewegung" und haben Irland mit kurzen Unterbrechungen seit 1933 wie ein Familienunternehmen regiert.

Und um Familienmitglieder kümmert man sich eben, selbst wenn es der Bevölkerung schlecht geht. Schon Anfang der Neunzigerjahre war die Verstrickung hochrangiger Politiker in abenteuerliche Korruptionsskandale aufgeflogen. Der größte Gauner war Premierminister Charles Haughey, der während seiner Amtszeit rund 20 Millionen Euro von Geschäftsleuten kassiert hatte. Ahern war damals Finanzminister, Haughey war sein Mentor.

Im Zuge des Wirtschaftswachstums der vergangenen 20 Jahre ist die Schere zwischen Armen und Reichen viel größer geworden. Bei denjenigen, die vom Boom am meisten profitierten, wuchs auch die Geldgier am stärksten. 2002 veröffentlichte ein Tribunal eine Liste mit 190 Namen, die sich wie ein "Who is who" der reichsten Personen Irlands liest: Bauunternehmer, Bankiers, Architekten, Geschäftsleute, Ärzte, Piloten, Politiker. Es ist eine Liste von Steuerhinterziehern, die den irischen Staat jahrzehntelang um Milliarden Euro betrogen haben. Dagegen wirkt Ahern wie ein Amateur.

In Brüssel wird man über seinen Rücktritt froh sein. Irland ist das einzige Land in der Europäischen Union, in dem der Vertrag von Lissabon per Volksentscheid abgesegnet werden muss. Zwar setzen sich bis auf Sinn Féin alle Parteien für ein Ja ein, doch der Skandal um Ahern war eine Unwägbarkeit. Die Iren hatten schon den Vertrag von Nizza vor allem aus innenpolitischen Gründen abgelehnt. Im zweiten Anlauf bekam Ahern seinen Willen. Nun ebnete er mit seinem Rücktritt den Weg für ein Ja beim Referendum, das im Juni stattfinden soll.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.