Kommentar Paraguay: Der späte Sieg der Befreiungstheologie

Die Wahl in Paraguay setzt den Linksruck in Lateinamerika fort. Doch Ex-Bischof Lugo könnte dem Land wirklich Neues bringen - Kampf gegen Vetternwirtschaft und mehr Partizipation etwa.

Mit dem Befreiungstheologen Fernando Lugo hat erneut ein Linker in Lateinamerika einen rauschenden Wahlsieg errungen. Schon geht in den Medien das altbekannte Ratespiel los: Wie rot ist der "rote Bischof" wirklich? Wie hält ers mit Chávez? Ist er ein Populist? Oder doch eher ein braver Sozialdemokrat? Gegen solche Etiketten hilft es wenig, dass Lugo beteuert, Paraguay werde seinen eigenen Weg gehen. Stattdessen verweist er darauf, dass er etwas Neues, nämlich das "religiöse Element" mitbringe, um gleich zu beschwichtigen: Für ihn sei die Befreiungstheologie eher eine theologische denn eine ideologische Option. Auch sonst waren seine Ankündigungen moderat. Lugo weiß zu gut, dass die Machtverhältnisse in Paraguay und im Mercosur keine Spielräume für gewagte Politexperimente zulassen.

Dennoch macht gerade das "religiöse Element" den Bischof zu einem ganz besonderen Hoffnungsträger. Als entscheidendes Ferment der sozialen Bewegungen hat die Befreiungstheologie mit einem jahrzehntelangen Vorlauf zu den Wahlsiegen von Lula in Brasilien, Evo Morales in Bolivien oder Rafael Correa in Ecuador beigetragen.

Zu den konkretesten und glaubwürdigsten Verspechen des linken Kirchenmannes Lugo gehört es, die Vetternwirtschaft zu bekämpfen und sich für mehr Teilhabe aller Paraguayer am politischen Alltag einzusetzen. Das wäre für ganz Lateinamerika, wo Personenkult und Messianismus fest zur politischen Kultur gehören, etwas Neues. Auch sozial engagierte Staatenlenker setzen diese Mittel gezielt zum Machterhalt ein. Und in Argentinien, Brasilien, Venezuela oder Chile gehören Korruption und autoritäre Führung fast selbstverständlich zum politischen Alltag. In den linken Debatten über Lateinamerika werden diese wunden Punkte meist verschämt verschwiegen.

Gewiss: In Paraguay ist der Nachholbedarf an Transparenz und Bürgerbeteiligung besonders groß. Und den Politneuling Lugo erwarten viele Fallen. Doch vielleicht geht von dem kleinen, oft belächelten Binnenland hier wirklich ein ethischer Impuls aus. Nötig wäre es.

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