Naziüberfall in Ratzeburg

Mehrere Neonazis haben im schleswig-holsteinischen Ratzeburg einen Gruppe Studenten überfallen und einen von ihn schwer verletzt. Die Opfer werfen der örtlichen Polizei Untätigkeit vor

Die Rechten grölten den Studenten noch „Zick-Zack-Zeckenpack“ hinterher, einige zeigten den Hitler-Gruß

VON ANDREAS SPEIT

Die Cocktailbar L`île, nahe dem Ratzeburger Markt. „Hier haben sie angegriffen“, sagt Maria*. Auch Justus ist schockiert: „Der eine Neonazi schlug mit der Holzlatte voll zu.“ Eine der Latten liegt noch auf dem Gehweg. Seit der Nacht vom 24. auf dem 25. Dezember liegt ihr gemeinsamer Freund Klaus schwer verletzt im Krankenhaus. In all den Pressemitteilungen der zuständigen Polizei findet sich zu diesem Übergriff keine Mitteilung. Laut der Mutter des verletzten Opfers wollte die Polizei am 27. Dezember zunächst auch keine Strafanzeige aufnehmen. „Der Staatsschutz hat aber die Ermittlungen aufgenommen“, versichert die Polizeisprecherin.

Über die Feiertage waren die 15 jungen Erwachsenen zu ihren Eltern in den schleswig-holsteinischen Luftkurort gekommen. Nach der Familienrunde an Heiligabend trafen sie sich im „Moonlight“. „Mir fielen die Nazis anfänglich gar nicht auf“, sagt Frank. Als Maria zur Toilette ging, hörte sie: „Dreckige Punkerschnepfe“. Unter der pöbelnden Gruppe erkannten sie einen stadtbekannten Neonazi. „Kein Bock auf Stress“, sagten sie sich und verließen die Kneipe. Vor der Tür grölten die Rechten ihnen noch „Zick-Zack-Zeckenpack“ hinterher, einige zeigten den Hitler-Gruß.

Über den Markt, die Straße runter gingen die Freunde zur Cocktailbar L`île. In der beschaulichen Innenstadt sind die Wege kurz. „Die Nazis hörten wir noch rumgrölen“, sagt die 23-jährige Studentin. Deshalb schauten Frank, Klaus und Ernst vor dem L`île noch einmal auf die Straße.

Auf dem Markplatz hatten sich mittlerweile an die 12 Neonazis versammelt. „Alle hatten Holzlatten in den Händen oder waren anders bewaffnet“, sagt Frank. Sechs der Rechten kamen nach Angaben der Studenten zur Bar und pöbelten von der anderen Straßenseite. Vor der Bar standen zwei Angestellte und einige Gäste. „Vielleicht waren wir draußen zehn Leute“, sagt Frank. Ein Rechter kam rüber, schubste und pöbelte. Die Kellnerin versuchte ihn zu beruhigen. Der stadtbekannte Neonazi, erinnert sich Justus, ging plötzlich gezielt auf Klaus zu: „Mit voller Wucht schlug er ihn mit der Holzlatte auf dem Kopf. Klaus brach sofort zusammen.“ Ernst wollte helfen und wurde auch gleich angegriffen. „Den hat es nicht so schwer erwischt“, sagt Maria und berichtet: „Ich war voll geschockt und hab da nur noch rumgeschrien.“ Die Nazis rannten weg, schmissen die Latte zuvor auf die Gruppe. Frank und Justus liefen gleich zur Polizeiwache um die Ecke, die aber nicht besetzt war.

Knapp zwanzig Minuten später traf die Polizei ein, die jemand telefonisch gerufen hatte. Vor Ort wollten die zwei Beamten keine Anzeige aufnehmen. Die Kneipengäste seien doch alle betrunken, soll einer der Polizisten gesagt haben. Maria musste sich anhören: „Von so einer hysterischen Kuh nehme ich keine Anzeige auf.“ Ihr Freund wurde derweil ins Krankenhaus gebracht. „Wir befürchten, dass er seine Sehkraft auf dem linken Auge ganz verliert“, sagt Klaus Mutter. Eine Operation hat er schon hinter sich.

Als sie am Ersten Weihnachtstag bei der Polizeiwache telefonisch eine Anzeige aufgeben wollte, bekam sie nach eigenen Angaben zu hören, sobald ihr Junge wieder klar sei, könne er irgendwann selbst eine Anzeige machen. Am 27. 12. sprachen Maria und die Mutter des Opfers persönlich bei der Polizei vor. „Einen der Beamten erkannte ich wieder“, sagt die Studentin. Dass sie den Namen des Täters schon am Abend des Überfalls genannt hatten, wollte da auf der Wache niemand mehr wissen. Die Polizei weist die Vorwürfe zurück. „Ich kann das so nicht bestätigen“, sagt die zuständige Pressesprecherin.

*alle Namen geändert