Bedeutung. Unfug. Geben.

Mit „Toll! Ein Buch“ helfen die ZDF-Satiriker Werner Doyé und Andreas Wiemers beim Verstehen des politischen Betriebs

Den verborgenen Sinn politischen Schwachsinns aufspüren: Das ist die Aufgabe, der sich die Fernsehjournalisten Werner Doyé und Andreas Wiemers in ihrem kleinen Werk „Toll! Ein Buch“ erfolgreich stellen.

Da das oft nicht einfach ist, ziehen sie naturwissenschaftliche Modelle heran. Etwa zur Erklärung der Gesundheitspolitik der großen Koalition. Union und SPD hätten, so schreiben Doyé und Wiemers, zwei grundverschiedene Konzepte vertreten: Kopfpauschale und Bürgerversicherung. Obwohl diese einander ausschließen, habe die koalitionäre Notwendigkeit bestanden, sie zu kombinieren. Wie geht das?

Die Physik gibt die Antwort. Kopfpauschale und Bürgerversicherung verhalten sich wie die Pluspole zweier Magneten: Will man sie zusammenfügen, stoßen sie einander ab. Es gibt nur eine Möglichkeit, den Widerstand zu überwinden. Zwischen den beiden Pluspolen muss man einen Minuspol platzieren. Der zieht beide Pluspole an, woraus die Konstruktion ihre Stabilität bezieht. Weil „‚fettes Minus‘ eine ähnlich schlechte Konnotation wie ‚Kopfpauschale‘ hat, nennt man den eingefügten Pufferpol ‚Gesundheitsfonds‘.“

Die Geschichten im Buch stammen aus den Beiträgen, die Doyé und Wiemers wöchentlich für das ZDF-Politik-Magazin „Frontal21“ anfertigen. Erhellend sind auch die Interviews mit fiktiven Persönlichkeiten der Zeitgeschichte. So darf der Hamburger Werbefachmann Edwin Karmann erläutern, wie er die politischen Botschaften sämtlicher Bundestagsparteien formt. Karmann hält die „Markenrechte am politischen Dreiwortsatz“ und ist verantwortlich für Slogans wie „Kraft der Freiheit“ (FDP, 2001), „Zeit für Taten“ (CDU, 2002), „Grün wirkt weiter“ (2002) und „Das Wichtige tun“ (SPD, 2003).

Allerdings geriet er unlängst in die Bredouille: Seine Erfindungsgabe drohte sich abzunutzen, die Mottos wurden immer ähnlicher. Da kam er auf einen bahnbrechenden Einfall. Er ersann den politischen Dreiwortsatz mit drei Satzzeichen. „Deutschland. Erfolgreich. Machen.“ stand am 28. November 2006 an Angela Merkels Rednerpult beim CDU-Parteitag. „Die Punkte wirken modern, und vor allem kann ich alle alten Slogans noch mal verkaufen“, sagt Karmann. Und zwar nicht nur unabhängig vom Inhalt, sondern auch von der Grammatik. „Machen. Deutschland. Erfolgreich.“ funktioniert ebenso gut.

HANNES KOCH

Werner Doyé, Andreas Wiemers: „Toll! Ein Buch“. Carlsen Verlag, Hamburg 2008, 128 Seiten, 9,95 Euro.